Als Friedrich Schiller in den Jahren 1803 und 1804 das Drama „Wilhelm Tell“ verfasste, herrschte in Europa Napoleon Bonaparte, und die unterworfenen Länder sannen verzweifelt auf eine befreiende Tat. So lässt sich dieses Stück durchaus als plakatives Revolutionsstück deuten, dass die Rollen von vornherein eindeutig festlegt. Landvogt Gessler stellt als Vertreter der verhassten Fremdherrschaft von […]
Archive | Schauspiel
Groteske mit Blut
Zwar sind Bühnenversionen bekannter Romane seit einiger Zeit bei deutschen Theatern „en vogue“ – warum auch immer -, doch wenn es um einen Schauerroman des 19. Jahrhunderts ohne erkennbaren Aktualitätsbezug oder gar gesellschaftspolitische Erkenntnisse geht, stellt sich doch die Frage nach dem Sinn einer solchen Inszenierung. Man kann es metaphorisch inszenieren, indem man deutliche Bezüge […]
Die Liebe in den Zeiten der Ironie
Schon das Bühnenbild der Darmstädter Inszenierung von Moritz Rinkens Komödie „Wir lieben und wissen nichts“ unter der Regie von Judith Kuhnert begrüßt die Zuschauer mit geradezu plakativer Ironie. Pascal Seibicke hat dort ein bühnenbreites Bücherregal in grellem Gelb installiert, das seine intellektuellen Reclam-Titel – Spende des Verlags! – demonstrativ als Botschaft der Selbstverortung des Protagonisten […]
Alte Dystopie – aktueller denn je
Die Seherin Kassandra sagte den Untergang Trojas voraus und gerann damit quasi zur antiken Ikone für apokalyptische Prophezeiungen. Im 20. Jahrhundert hat George Orwell diese Rolle insofern für die Gegenwart übernommen, als dass er, ähnlich wie Kassandra, weitgehend die Entwicklung richtig eingeschätzt hat. Sein Stück „1984“ aus dem Jahr 1948 (!) hat den totalen Überwachungsstaat […]
Korrekter Klamauk ad juventutem
Die erste Premiere in der neuen Theatersaison übt stets eine gewisse Signalwirkung aus. „Wie lautet das Motto?“ und „Was bewegt uns?“ sind dabei die typischen Fragen. Dass das Staatstheater Darmstadt die Saison mit einem Jugendstück einläutet, ist im Sinne einer zukunftsorientierten Programmplanung durchaus nachzuvollziehen, denn hier spricht man bewusst die nächste Publikumsgeneration an. Aufgrund des […]
Intelligente Zerlegung einer Ikone
In der Theaterszene gilt seit einiger Zeit der Spruch, man könne heute keine klassischen Theaterstücke mehr im Original auf die Bühne bringen, da diese die wahren Probleme der Gesellschaft zu spiegeln nicht mehr in der Lage seien. Abgesehen von ihrer fragwürdigen Pauschalität enthält diese Aussage natürlich einen wahren Kern, den eine gelungene Inszenierung identifizieren und […]
Revue mit „Drei-Groschen“-Flair
In seinem Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ aus dem Jahr 1931 beschreibt Erich Kästner ungeschminkt die Zustände im Berlin der ausgehenden 20er und beginnenden 30er Jahre. Hedonismus vor allem sexueller Prägung und weitgehender Verzicht auf jegliche Moralvorstellungen stehen dabei im Vordergrund. Dabei hatte der Autor in einem ersten Entwurf mit dem Titel „Gang vor […]
Scherz, Ironie und tiefere Bedeutung
Nein, es geht hier nicht um Christian Dietrich Grabbes Komödie, doch deren Titel passt wie gestochen auf Felix Krakaus neues Stück „Happy End (keine Garantie)“, das im Februar in Darmstadt seine Uraufführung feierte. Krakau nimmt in diesem Einakter etwa einstündiger Dauer die straßenklebenden Aktivisten der „Letzte[n] Generation“ und ihre Genossen von „Extinction Rebellion“ sowie deren […]
Das Grauen der Sommerfrische
Thomas Mann war ein Meister der Epik, aber nicht unbedingt der Bühnenkunst. Doch die Theaterregisseure haben aus gutem Grund Romane als Bühnenvorlagen entdeckt, weil sie dabei nicht an vorgegebene Dialoge und Bühnenanweisungen gebunden sind. So kann man auch zeitgenössische Problemfelder auf die Bühnenbretter bringen, ohne sich zu sehr mit den Rechten der Urheber beschäftigen zu […]
Nicht zum Lachen
Auch in diesen düsteren Zeiten erfreut sich die Komödie hoher Beliebtheit. Das erkennt man an den gut gefüllten Sitzreihen der Berliner „Komödie am Kurfürstendamm“, die derzeit entgegen ihrem Namen im ehemaligen Schiller-Theater in der Bismarckstraße residiert. Auf dem Programm steht die Komödie „Rosige Aussicht“ der US-Amerikanerin Bess Wohl, und da kann man üblicherweise durchaus humoristische […]