Der neue Roman „Liebes Arschloch“ der französischen Erfolgsautorin Virginie Despentes erschien 2022 in Frankreich und ist nun in der deutschen Übersetzung im Rowohlt Verlag erschienen. Der provokante Titel überrascht bei diesem Verlag, zumal der französische Titel „Cher Connard“ viel weniger drastisch ist, denn ein „connard“ ist auf Deutsch ein „Blödmann“, kein Arschloch. Als Leserin fragte […]
Archive | Literatur
Jo Browning Wroe: „Klang der Erinnerung“
Der deutsche Titel des Romans „Klang der Erinnerung“ der britischen Autorin Jo Browning Wroe weckt die Erwartung von einer schönen, harmonischen Erzählung. Umso irritierter war ich, als ich den Titel „A Terrible Kindness“ des englischen Originals las. Wie konnten diese so unterschiedlichen Titel auf denselben Roman verweisen? Ich war gespannt. Tatsächlich umspannt der Roman beides: […]
Kim de l’Horizon: „Blutbuch“
Ich gebe es gleich zu Anfang zu: Ich habe den Roman „Blutbuch“ des jungen Schweizer Autors Kim de l’Horizon mit spitzen Fingern in die Hand genommen. Seine Selbstinszenierung bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises als queere, non-binäre Person, die sich aus Solidarisierung mit den Frauen im Iran den Kopf rasierte, wirkte auf mich ich-bezogen und […]
Andrej Kurkow: „Samson und Nadjeschda“
Andrej Kurkow wurde in St. Petersburg, Russland, geboren, zog aber schon als Kind mit seinen Eltern in die Ukraine nach Kiew, wo er noch heute lebt. Er studierte Fremdsprachen, arbeitete als Zeitungsredakteur und sammelte während seines Militärdienstes Erfahrungen als Gefängniswärter. Auch als Kameramann war er schon tätig und verfasste mehrere Drehbücher. Er schreibt in russischer […]
Theresia Enzensberger: „Auf See“
Von der ersten Seite an entwickelt die Autorin dieses Romans eine in ihrer emotionalen Kälte und zwischenmenschlichen Gleichgültigkeit erschreckende Zukunftsvision. Lange Zeit vermutet man einen fast schon metaphysischen Hintergrund und schließlich ein apokalyptisches Ende, doch diese erwartete Pointe tritt nicht ein und überlässt einer eher realpolitischen Aussage mit ideologischem Hauch das Feld. Man scheut den […]
Kristine Bilkau: „Nebenan“
Julia und Chris wohnen in einem alten Haus auf einem großen Grundstück im norddeutschen Flachland. Wenn man aus dem Fenster schaut, schieben sich ab und an Containerschiffe auf dem Kanal durch die Landschaft. Sieben alte Häuser liegen hier verstreut, zwei davon stehen leer. Julia blickt nach draußen und beobachtet ein Kind, das am Zaun der […]
Benedict Wells: „Fast genial“
Francis sitzt neben seiner Mutter in der psychiatrischen Klinik. Sie beschuldigt ihn, an allem Schuld zu sein und ihr Leben zerstört zu haben. nach der Trennung von ihrem Mann Ryan lebt sie mit ihrem Sohn in einem Trailer. Ihr Leben ist täglich von finanziellen Sorgen geprägt, da Klinikaufenthalt und teure Medikamente viel Geld verschlingen. Francis […]
Marco Balzano: „Damals am Meer“
Der Erzähler dieses Romans lebt in Mailand, wo er das Studium des Lehramts absolviert hat. Er war der erste in der Familie, der überhaupt studiert hat, findet jetzt aber keine Stelle. Er beschreibt sich hier in seiner Rolle als Sohn und Enkel. Sein Großvater ist heute noch Analphabet und hat mit vierzehn Jahren angefangen zu […]
Martin Mosebach: „Taube und Wildente“
Der Abschlag beim Golf erfolgt generell in zwei Phasen: der Ausholvorgang besteht aus einer spannungsgeladenen Bewegung, in der genau Maß genommen wird und das Ziel sowie seine Umgebung anvisiert werden. Hier sind noch kleinere Korrekturen möglich. Die zweite Phase dagegen, einmal begonnen, verläuft dynamisch eindeutig und kann nicht mehr unterbrochen werden. Es ist sozusagen ein […]
Katrine Engberg: „Wintersonne“
Als Leser nordischer Kriminalromane ist man Einiges an Brutalität gewohnt. Aber Grausamkeiten sind immer noch steigerungsfähig, wie man in Katrine Engberts Roman „Wintersonne“ nachlesen kann. In einem alten Koffer wird die halbe Leiche eines Mannes gefunden. Offenbar wurde das Opfer wie ein Schlachttier in der Körpermitte durchgesägt. Wer begeht eine solch grausame Tat, und wer […]