Shakespeares Zeit war eine „Büchse der Pandora“ menschlicher Schwächen und Leidenschaften auf den Brettern des Theaters. Nie vorher wurden Machtgier, Mordlust und Missgunst vor allem der Mächtigen auf eine solch direkte und schonungslose Weise dargestellt und angeprangert. John Webster war einer der Autoren, die mit der menschlichen Gesellschaft auf diese Weise abrechneten. Den ungehobelten, oftmals […]
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Chris Kraus: „Das kalte Blut“
Aus welcher Perspektive schreibt man einen Roman über das Dritte Reich? Am einfachsten aus der Sicht der Opfer, da man hier nie falsch liegen kann und sowohl Mitleid als auch gerechte Empörung wecken kann. Dagegen ist die Täter-Perspektive wesentlich gefährlicher, weil sich der Autor der Gefahr aussetzt, seine Täter psychologisch zu hinterfragen und dabei zwangsläufig […]
Getanzte Sehnsucht nach dem Unmöglichen
Im Hafen von Kopenhagen lockt die Skulptur „Lille Meerfru“ („die kleine Meerjungfrau“) auch heute noch täglich hunderte schaulustige Touristen an das felsige Ufer. Dabei kennen die meisten Besucher wahrscheinlich gar nicht die tragisch-süße Geschichte dieses nationalen Symbols. Die kleine Meerjungfrau rettet einen schiffbrüchigen Prinzen vor dem Ertrinken und verliebt sich dabei in ihn. Um ihm […]
Aschenputtel von der Reeperbahn
Jeder kennt das alte deutsche Märchen vom Aschenputtel: Böse Stiefmutter und neidische Stiefschwester quälen das arme Aschenputtel. Prinz verliebt sich in das arme Mädchen, doch böse Schwester übernimmt ihre Rolle. Zufall hilft, Aschenputtel kriegt den Prinzen, und die Bösen gehen leer aus. Im Englischen heißt dieses Märchen „Cinderella“. Aus dem englischen Namen hat das Schmidt-Theater Cindy […]
Petri Tamminen: „Meeresroman“
Im Finnland des mittleren 19. Jahrhundert – auf genaue Jahreszahlen verzichtet der Autor bewusst – wächst Vilhelm Huurna als Sohn eines einfachen Fischers auf. Schon als Kind erleidet er bei der Überführung eines kleinen Segelbootes einen fast tödlichen Schiffbruch. Die ländliche Einsamkeit und die schlichte gesellschaftliche Situation wecken in ihm keinerlei Ehrgeiz, und so verläuft […]
Kein Abend der leichten Muse
Das japanisch-deutsche „Lotus String Quartet“ in der Besetzung Sachiko Kobayashi (1. V), Mathias Neudorf (2. V), Tomoko Yamasaki (Va) und Chihiro Saito (Vc) trat am 18. Januar im Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt mit einem anspruchsvollen Programm an, das in allen drei Stücken einen ausgeprägten musikalischen Ernst aufwies. Ganz offensichtlich hatten die Musiker sowohl bei dem […]
Neurotik statt Erotik
Kammerstücke über Beziehungsprobleme in vordergründig harmonischen Ehen zählen seit einiger Zeit zu den erfolgreichsten Theaterinszenierungen. Offensichtlich erkennt das Publikum in den satirisch ausgebreiteten Problembeziehungen die jeweiligen Nachbarn und lacht befreit auf, da man ja selbst nicht betroffen ist. Neben dem Urvater Edward Albee („Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“) und Yasmina Reza hat auch Woody […]
Peter Sloterdijk: „Was geschah im 20. Jahrhundert“
Das 20. Jahrhundert kann man mit guten Argumenten – soweit eine solche Kategorisierung in der Menschheitsgeschichte überhaupt angemessen ist – als das spannungsreichste und von den größten Umbrüchen geprägte Jahrhundert der Geschichte betrachten. Manche Historiker sprechen dabei von einem „kurzen“ Jahrhundert, das angeblich nur von 1917 bis 1990 reichte, andere – wie auch Peter Sloterdijk […]
Sie sind wieder da!
Vor genau einem Jahr waren sie schon einmal in Darmstadt, die fünf Sänger des Wiener Staatsopernorchesters, die den „Comedian Harmonists“ der dreißiger Jahre nacheifern. Bis auf die Solo-Einlage des Klavier spielenden Baritons Johannes Glisser, der dieses Mal ein Lied vortrug, das von Georg Kreisler stammen könnte, und einige kleinere Umstellungen war fast genau dasselbe Repertoire […]
Traumatische Bilder
Anfang des Jahres 1914 befand sich das Deutsche Reich auf einem gefühlten Höhenflug. Man war das wirtschaftlich dynamischste und erfolgreichste Land Europas und durfte sich auch politisch als Großmacht fühlen, den Bürgern ging es im Rahmen der damaligen gesellschaftspolitischen Verhältnisse ausgesprochen gut. Viereinhalb Jahre später war alles verloren: militärisch besiegt, politisch in Versaille gedemütigt und […]