Nach den ersten Seiten dieses Anfang 2019 erschienenen Buches geht man davon aus, dass sich dieser Roman über die gesamte Nachkriegszeit bis heute erstreckt, zumal die heimliche Hauptperson unmittelbar nach dem Krieg zur Welt kommt und heute in den Siebzigern wäre. Man bereitet sich also auf ein reiches Personaltableau mit unterschiedlichen Orten, Charakteren und Entwicklungsstadien […]
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Weltrettungsperformance als Textcollage
Man sollte vor Beginn der Aufführung von „Wir werden mutig gewesen sein“ im Staatstheater Darmstadt kurz in das Programmheft schauen, denn dort wird auf Texte verschiedener Geistesgrößen des 20. und 21. Jahrhunderts verwiesen, die in diesem „Theaterprojekt“ zu Gehör kommen: Adorno, Harari, Precht, Thoreau und Hathaway feiern hier ein mehr oder minder fröhliches Stelldichein, das […]
Michel Serres: „Was genau war früher besser?“
Der französische Philosoph Michel Serres, Jahrgang 1930, hat die ernüchternde Feststellung getroffen, dass sich in Frankreich mit der zunehmenden Lebenserwartung eine stetig wachsende Gruppe von „Meckergreisen“ gebildet hat, die die Gegenwart ablehnen und von den guten, alten Zeiten reden. Als galanter Franzose beschränkt Serres seinen auf dieses Phänomen folgenden Zornesausbruch auf die männliche Hälfte der […]
Francis Fukuyama: „Identität“
Im letzten Jahrzehnt hat sich vor allem in den westlichen Ländern das Phänomen der „Identität“ ausgebreitet, das in Europa direkt in dem Begriff der „Identitären“ auftaucht und sowohl in Trumps USA als auch in verschiedenen westeuropäischen Ländern in den jeweiligen populistischen Parteien und expliziter Fremdenfeindlichkeit seinen Niederschlag findet. Francis Fukuyma, der nach 1990 mit dem […]
Die mythisch-musikalische Kraft des Wassers
Dass alles Leben im Wasser entstand und erst von dort an Land gespült wurde, ist ein naturwissenschaftlicher Gemeinplatz. Doch das Wissen um die Macht des Wasser – sei es als wildes Meer, sei es als sprudelnder Bach, sei es als stiller See – hat sich seit Beginn der bewussten Menschheitsgeschichte in mächtigen Mythen entfaltet, vom […]
Sinfonische Musik aus Bläsermund
Im achtzehnten Jahrhundert waren Bläserensembles groß in Mode. Das lag einerseits daran, dass sie – im Gegensatz zu Streichinstrumenten – bei musikalischen Veranstaltungen in großen Sälen oder im Freien ausreichende Lautstärke bieten konnten, andererseits wohl auch daran, dass aufgrund der Militärmusik einfach ein größeres Angebot an Blasmusikern herrschte. So etablierte sich bald eine eigene Musikgattung, […]
Der Teufel steckt in der Knetmasse
Der Titel dieser Ausstellung in der Kunsthalle Schirn spricht bereits für sich: „Nathalie Djurberg & Hans Berg. A Journey Trough Mud And Confusion With Small Glimpses Of Air“. Wenn man die Ausstellungsräume betritt, ist der erste Eindruck der einer bunten Vogelschar, die sich in verschiedensten Stellungen in einem ausgedehnten Areal auf dem Boden tummelt. Die […]
Ford Madox Ford: „Die allertraurigste Geschichte“
Bei diesem Buch bleibt der Leser bis zum Schluss im Zweifel darüber, ob es sich dabei um abgründige Ironie angesichts einer völlig in Konventionen erstarrten Gesellschaft oder um echte Erschütterung ob des tragischen Endes einer Ehe handelt. Das liegt nicht zuletzt an der Struktur dieses Buches, die nicht eine spannende chronologische Darstellung der Ereignisse sondern […]
Martin Burckhardt: „Eine kurze Geschichte der Digitalisierung“
Diese Rezension entstand auf einem Gerät, das es vor zehn Jahren noch nicht gab und das man vor vierzig Jahren für unmöglich gehalten hätte: auf einem iPad. Und sie erscheint – ausschließlich – in einem virtuellen Medium, das fast genau vor fünfzig Jahren seine Geburtsstunde erlebte: dem Internet. Damit ist sie selbst ein Beispiel für […]
Christopher Clark: „Von Zeit und Macht“
Der australische Historiker Christopher Clark, Autor des viel diskutierten Buchs „Die Schlafwandler„, widmet sich in diesem Buch einem Thema, das nicht gerade den aktuellen Zeitgeist bewegt: das Zeit- und Geschichtsverständnis der Mächtigen. Laut Clark sehen die meisten Untersuchungen bei historischen Veränderungen keine „Akteure“, da das Individuum als Grund historischer Umbrüche seit dem frühen 19. Jahrhundert […]