Fahrt über Omaruru und Otjiwarango zur Etosha-Pfanne.
Auch heute haben wir eine relativ kurze Strecke von „nur“ 280 Kilometern zum Etosha-Naturpark vor uns. Also brechen wir erst gegen halb zehn auf. Nach einer kurzen Tankpause im erstaulich grünen Omaruru, der nächsten Stadt im Norden, fahren wir weiter nach Otjiwarango. In den letzten Tagen haben uns verschiedene Reisende in den Lodges erzählt, dass man im Camp Okaukuejo am Südwestzipfel der Etosha-Pfanne damit rechnen muss, sich beim Essen im Restaurant Magen- und Darmprobleme zuzuziehen. Deshalb beschließen wir, für die nächsten zwei Tage auf Selbstversorgung umzustellen, und suchen in Otjiwarango erst einmal das moderne Einkaufszentrum auf.
Auf der Fahrt durch den Ort kommen wir an prächtig blühenden Bäumen vorbei, die lila oder rot leuchten und schon von weitem sichtbar sind. Man merkt dem Ort deutlich an, dass er die letzte größere Station vor Etosha ist, denn das gesamte Areal um das Einkaufszentrum herum macht mit Tankkstellen, Banken und verschiedenen Läden einen ausgesprochen städtischen Eindruck, und der Supermarkt selbst steht vergleichbaren in Deutschland in nichts nach.
Nachdem wir uns ausreichend versorgt haben, setzen wir unsere Fahrt nach Etosha fort. Die Landschaft wird zunehmend flacher, die Berge treten zurück an den Horizont, niedrige Stäucher und Steppengras lösen die bisher noch zahlreichen Bäume ab. Nur die Termitenhügel begleiten uns die ganze Zeit. Gegen 14 Uhr erreichen wir den Eingang zum Camp Okaukuejo, bei dem der Etosha-Park beginnt. Von dort aus sind es nur noch wenige Kilometer bis zum eigentlichen Camp, in dem wir unterkommen sollen.
Nach Entrichtung der Eintrittsgebühren erhalten wir die Schlüssel zu unseren Bungalows und ziehen ein. Die Bungalows sind graue Reetdach-Häuschen mit bewusst schlicht gehaltener aber moderner Einrichtung einschließlich Klimaanlage, Kühlschrank und Moskito-Baldachin um die Betten. Unser Bungalow liegt unmittelbar an der Wasserstelle, an der sich Tag und Nacht die verschiedensten Tiere in großer Zahl treffen.
Am Spätnachmittag unternehmen wir gleich eine Rundfahrt durch den Etosha-Park von Wasserloch zu Wasserloch auf eigene Faust. Das „Gemsenloch“ liegt mitten in einer weiten, offenen Fläche und zieht eher kleinere Tiere sowie Springböcke und Zebras an, die es hier in Hülle und Fülle gibt. Nach kurzem Halt wegen nicht sehr vieler Tiere geht es durch etwas unwegsames und unübersichtliches Gelände auf der Schotterpiste zum „Olifant“-Loch, das wir wegen des Namens fälschlicherweise für den Treffpunkt der Elefanten halten. Doch das Wort „Olifant“ bezeichnet die Giraffe, und die ist hier auch zahlreich vertreten – neben vielen anderen Tieren. Doch bevor wir die Tiere am Wasserloch beobachten können, müssen wir uns erst einen Platz suchen, denn fast der gesamte „Uferstreifen“ am Wasserloch ist von Reisebussen und Jeeps besetzt.
Die fünf Giraffen zeigen sich seltsam gehemmt, nur eine trinkt zögerlich, und alle machen Front in dieselbe Richtung und schauen unverwandt dorthin. Dort döst ein männlicher Löwe vor sich hin, und die Giraffen wissen, dass sie beim Trinken wegen ihrer eingeknickten Haltung am wehrlosesten sind. Auch die anderen Tiere – Springböcke, Zebras, Kudus – ziehen die abgelegene Seite des Wasserlochs vor und behalten den Löwen ständig im Blick, jeden Moment bereit zur Flucht. Als aus dem Hintergrund ein zweiter Löwe naht, verschärft sich die Situation für die anderen Tiere noch, die nur unter größter Vorsicht ihren Durst stillen und dann sofort wieder auf Distanz gehen. Selbst wir Menschen bemerken die einzigartige Spannung, die in der Luft liegt.
Wir müssen zurück ins Camp, das wie ein Fort im Wilden Westen kurz vor sieben Uhr seine Tore schließt. Unser Abendessen nehmen wir an der Mauer zum Wasserloch am Camp ein und verfolgen das rege Treiben der Tiere, die hier kommen und gehen. Die Hitze des Tages – bis zu 39 Grad Celsius(!) – klingt jetzt langsam ab, sodass man noch lange in kurzen Hosen und Polohemd im Freien sitzen kann. Einige haben aus Angst vor Stechmücken und Moskitos lange Hosen und langärmliche Hemden angezogen, aber das erweist sich im Laufe des Abends als überflüssig, weil um diese Jahreszeit die Insektenplage noch nicht eingesetzt hat. Da fühlt man sich in leichterer Kleidung wesentlich wohler.
Über die weite, gut einsichtige Steppe kommen die Zebras, Springböcke, Oryx-Antilopen und Kudus abwechselnd in größeren und kleineren Herden, und überall wuseln die erdbraunen Schakale umher. Bei den Zebras erscheint stets der Leithengst zuerst und sichert das Gelände. Erst wenn er getrunken hat, naht sich der Rest der Herde und stellt sich zum Trinken dichtgedrängt nebeneinander ins Wasser. Die wesentlich schnelleren Sprinböcke trinken eher einzeln und entfernen sich auch alleine, ihre Herde bewegt sich aufgelockert in der Nähe des Wasserlochs. Dazu nähern sich gemessenen Schritts die Giraffen, die ebenfalls erst längere Zeit die Lage sondieren und nach gefährlichen Gegnern Ausschau halten, bevor sie sich der Wasserstelle nähern und trinken. Anschließend bleiben sie lange in angemessener Entfernung stehen und beobachten die Umgebung.
Nach Einbruch der Dunkelheit kommen nacheinander mehrere Nashörner an das beleuchtete Wasserloch. Obwohl sie keinerlei äußerliche Zeichen von Aggressivität zeigen, scheinen sie den anderen Tieren Respekt einzuflößen, denn diese verschwinden – bis auf die Schakale – mit dem Auftauchen der Nashörner. Ein Nashorn führt ein kleines Jungtier mit sich, dass das sich jedoch so dicht an seine Mutter drängt, dass man es kaum sieht. Irgendwann erstarren die Nashörner zur Regungslosigkeit, sodass die Aufmerksamkeit der Zuschauer erlahmt, nicht zuletzt dank des guten südafrikanischen Rotweins.
Ein erlebnisreicher Tag geht zu Ende. Morgen früh werden wir an einer geführten Rundfahrt durch den Park teilnehmen und uns dann noch einzelne Dinge privat anschauen.
Frank Raudszus
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