Durch Gaub- und Kuiseb-Massiv nach Walvis Bay und Swakopmund.
Die Reise geht weiter. Wir verlassen „A Little Sossus Lodge“ bereits kurz nach acht Uhr am Morgen, da uns über dreihundert Kilometer Schotterpiste nach Swakopmund bevorstehen.
Zuerst geht es die uns bereits bekannt Straße zurück nach Norden, vorbei an den Dünen der Namib im Westen, durch die nördlichen Bergzüge hindurch und später an ihnen entlang. Lange Staubfahnen hinter uns herziehend, fahren wir in großem Abstand, damit der zweite Fahrer noch etwas sieht. Nach etwas über einer Stunde tanken wir in Solitaire, das uns jetzt bekannt und keinen längeren Aufenthalt mehr wert ist, und biegen dann auf die C14 nach Nordwesten ab.
Anfangs begleitet uns die gleiche Landschaft wie bisher: leicht welliges Gelände, durch das sich die breite Schotterpiste schnurgerade von Kuppe zu Kuppe zieht. Doch langsam beginnt sich die Landschaft zu verändern. Die Bodenerhebungen werden höher und länger, erste kleine Einschnitte, zaghafte Ansätze von Schluchten, zeigen sich, und schließlich begleitet uns eine leicht begrünte Landschaft aus runden Hügeln, die mehr oder minder tiefe Furchen und Flussläufe durchschneiden. Schließlich erreichen wir den „Gaub“-Canyon“, dessen massive Fels- und Geröllwände das Gelände aufbrechen und zu einem tiefen Flusstal abfallen. Die Piste führt in engen Kurven halb hinunter in die Schlucht und schwingt sich an der anderen Seite wieder hinauf zu einem kleinen Parkplatz, von dem aus sich ein tiefer Einblick in die bizarre Schlucht öffnet.
Weiter geht es durch eine urweltliche Landschaft, bis wir das „Kuiseb“-Massiv erreichen. Hier erwartet uns eine wahre Mondlandschaft. Von der Höhe des Kuiseb-Passes schauen wir über ein weites Areal schwarz-grauer, schründiger Felsbuckel, zwischen denen sich tief unten das jetzt knochentrockene Flussbett des Kuiseb hinzieht. Dort unten entdecken wir eine geradezu idyllische kleine „Bucht“ mit dem kiesigen Flussbett, einem einsamen Baum und einer Sandfläche zwischen Felswänden, die fast wie ein Badestrand anmutet. Ringsumher sieht es jedoch aus, als hätten Riesenbagger über Jahrhunderte Eisenerz im Tagebau abgebaut.
Bei der Weiterfahrt haben wir zwar einen Abstecher zur „Henno-Martin-Shelter“ eingeplant, die an das Versteck zweier deutscher Geologen während des Zweiten Weltkriegs im Kuiseb erinnert, doch leider verpassen wie die Abzweigung und setzen unsere Fahrt nach Swakopmund durch eine nun wieder flachere und sandigere Wüste fort. Dafür halten wir am „Vogelfederberg“, einem von Wind und Sand rundgeschliffenen Felsmassiv, das sich links der Schotterpiste aus der nackten, hier fast weißen Wüste erhebt. Wir umkreisen den großen Doppelfelsen auf einer eingefahrenen Sandpiste und parken die Wagen dann genau zwischen den beiden Felsen. Anschließend besteigen wir den vorderen Felsen, von dessen nackter Oberseite sich uns ein weiter Blick auf eine fahle, kahle Wüstenlandschaft bietet. Diese Landschaft beeindruckt durch ihre einzigartige Zeitlosigkeit jedes Mal von neuem, vor allem die Bewohner eines dicht besiedelten, landschaftlich verdichteten Landes.
Auf dem Weg nach Walvis Bay, unserem nächsten Zwischenziel, zeigt sich die Nähe zum Meer und die von diesem herrührende Feuchtigkeit zuerst in einem zarten Grünbelag der Wüste, dann in einem zunehmenden, wenn auch immer noch spärlichen Bewuchs. Später beginnt die Wüste sich zu röten, und links der Straße zeigen sich Dünen und scharfe Abrisskanten. Dazu bläst vom Meer ein stetig zunehmender Wind, der schließlich Sturmstärke erreicht und den roten Sand der Dünen in breiten Fahnen über die hier bereits geteerte Straße weht, sodass sich dort zeitweise richtige Verwehungen wie im winterlichen Nordeuropa bilden. Als wir schließlich Walvis Bay erreichen, empfängt uns die einzige richtige Hafenstadt Namibias mit sturmgebeugten Palmen an den Straßenrändern. Wir fahren vor bis zur „Waterfront“, wo wir vom Gelände des Yachtclubs einen längeren Ausblick auf den sturmgepeitschten Südatlantik genießen, bevor wir vor dem Sturm in den Ort flüchten.
Dort suchen wir die im Reiseführer gelobte Bäckerei „Probst“ auf, die angeblich die beste Schwarzwälder Kirschtorte ganz Afrikas herstellt. In einem Gastraum, der deutlich an entsprechende deutsche Lokalitäten der siebziger Jahre erinnert, überprüfen wir diese Behauptung und befinden sie für zutreffend.
Den letzten Teil der heutigen Reisestrecke legen wir auf der Küstenstraße nach Swakopmund zurück, die uns an der Brandung desd Südatlantiks, breiten weißen Stränden und neu errichteten Feriensiedlungen entlangführt. Schließlich überqueren wir auf einer langen Brücke die Mündung des Swakop, der zur Zeit jedoch ausgetrocknet daliegt, und finden auf Anhieb unser nächstes Domizil, das Gästehaus „Sam’s Giardino“, ein Schweizer Hotel mit der Gediegenheit der Alpenheimat und vielen deutschsprachigen Details.
Noch in Deutschland hatte man uns empfohlen, in Swakopmund unbedingt das Abendessen im „Tug“ einzunehmen. Dieses einem Schlepper nachgebildete Restaurant liegt direkt an der langen hölzernen Landungspier und bietet einen einmaligen Blick auf den Sonnenuntergang. Leider ist der „Tug“ schon seit Tagen ausgebucht, sodass wir für das Abendessen einen Tisch im „Lighthouse“ weiter im Norden des Ortes reservieren. Trotzdem führt uns unser erster Erkundungsspaziergang entlang der breiten Straßen, die einst langen Ochsengespannen das Wenden ermöglichen sollten, zur Landungspier und zum „Tug“ hinunter.
Dabei bekommen wir einen ersten Eindruck von dieser Stadt, die im Jahr 1892 von den ersten deutschen Siedlern gegründet wurde und trotz eines fehlenden Schutzhafens lange Zeit als Ein- und Ausschiffungshafen für Siedler, Fracht und Schutztruppen diente. Aus dieser Zeit stammen auch viele Häuser im Stil der deutschen Gründerzeit, die heute großenteils im alten Stil renoviert worden sind und auch weitgehend noch die alten Geschäftsnamen tragen. Die deutschstämmige Bevölkerung ist hier noch sehr traditionsbewusst und versteht sich als deutsch mit namibischer Staatsangehörigkeit. Man fühlt sich beiden Staaten verpflichtet. In den meisten Geschäften und Restaurants spricht man (noch) deutsch, obwohl auch hier der Trend zu Englisch als „de facto“ offizieller Sprache nicht zu verkennen ist., und der Stolz auf die eigene Herkunft ist unverkennbar.
Der Wind pfeift hier immer noch mit Sturmstärke, die Brandung rollt mit mächtigen Schaumkämmen auf den Strand zu und bricht sich unter hohen Gischfontänen an den Felsen der Strandbefestigung. Als wir aus reiner Neugier auf die Pier hinausgehen, entdecken wir an deren äußerstem (See-)Ende das „Jetty 1905“, ein modernes Restaurant, das sogar geöffnet hat. Auf unsere erstaunte Nachfrage erklärt man uns, dass heute der Eröffnungstag sei und wir gerne hier zu Abend essen könnten. Wegen unserer Reservierung im „Lighthouse“ belassen wir es zwar an diesem Abend bei einem Drink, reservieren aber gleich für den nächsten Abend. So werden wir doch noch zu unserem „Sundowner“-Abendessen kommen, wenn auch nicht im „Tug“ sondern im neuen Konkurrenzbetrieb direkt vor der Nase des bisherigen Platzhirsches. Davor gilt es aber erst einmal, die Umgebung von Swakopmund zu erkunden.
Frank Raudszus
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