Ankunft in Windhoek und die ersten afrikanischen Eindrücke.
Der Flug verläuft anfangs ruhig und ereignislos, sodass wir in Ruhe das Abendessen genießen können. Erst über Zentralafrika – oder ist es die südliche Sahara? – fliegen wir durch eine Gewitterzone. Blitze zucken rund ums Flugzeug und beleuchten für Sekundenbruchteile die Tragflächen; Turbulenzen und Luftlöcher schütteln die Passagiere durch, und so mancher, der dies nicht gewohnt ist, schaut etwas besorgt drein. Doch plötzlich ist der Spuk vorbei, und es herrscht wieder Ruhe am nächtlichen Himmel.
Pünktlich um sechs Uhr morgens landen wir in der Morgendämmerung bei angenehmen Temperaturen von 16 Grad Celsius auf dem ruhigen Flugplatz von Windhoek. Der liegt mitten in einer weiten Ebene, auf der nur niedrige Steppenpflanzen wachsen. Am Horizont erheben sich einige mittelgroße, braune Berge, die jedoch eher den Eindruck eines Landschaftsdekors als eines Gebirges machen, und ringsum sieht man kaum Grün. Keine Wolke steht am blassblauen Morgenhimmel.
Auf das Gepäck müssen wir ausgesprochen lange warten, obwohl außer unserer Maschine keine andere gelandet ist, und die Übernahme unserer Geländewagen – Vierrad-Antrieb! – zieht sich dank umständlicher Organisation und unverständlicher Abläufe ebenfalls über eine Stunde hin. Schon hier lernen wir, dass man in Afrika in anderen Zeitkategorien denken muss. Mitteleuropäisches Effizienzdenken ist hier unbekannt, die Menschen sind wesentlich gelassener als bei uns zu Hause. Das ist am Anfang etwas ungewohnt, aber wir haben ja zwei Wochen Zeit, uns an das andere Lebenstempo zu gewöhnen. Schließlich sind wir hier im Urlaub und nicht zur Absolvierung eines möglichst umfassenden Besuchsprogramms.
Gegen neun Uhr können wir endlich mit unseren voll bepackten Autos Richtung Windhoek aufbrechen. Die Ausfahrt aus dem Flugplatzgelände lässt sich anfangs wegen des ungewohnten Linksverkehrs und mehrerer Kreisel etwas schwer finden, doch nach einer Ehrenrunde landen wir schließlich auf der B6, die uns ins vierzig Kilometer entfernte Windhoek führen soll. Die Straße ist teilweise dreispurig und zieht sich fast schnurgerade durch die hügelige Landschaft, in der nur wenige immergrüne Bäume das braune Einerlei des niedrigen Bewuchses unterbrechen. Neben der Straße entdecken wir plötzlich einzelne Paviane, die sich durch ihrer schwarzbraune Farbe gut vom blassgelben Steppengras absetzen. Schnell wird daraus eine ganze Herde, die mit den Kleinen auf dem Rücken oder unter dem Bauch die Straße überquert. Wir ziehen daraus die erste Lehre, dass man als Autofahrer stets auf einen unerwarteten Wildwechsel aller Art gefasst sein muss. Man sollte deshalb hier nicht schneller als 80 km/h fahren, da die Affen die auf beiden Seiten der Straße errichteten Zäune mühelos überwinden. Später erfahren wir, dass man die Affen nicht an sich herankommen lassen soll, da sie ziemlich aggressiv werden können, vor allem, wenn sie Essbares bei den Menschen vermuten.
Auf dem Weg zum „Tamboti Guesthouse“, unserer ersten Bleibe, queren wir eine breite Straße mit dem Namen „Robert Mugabe Street“, was uns doch zu denken gibt, da Robert Mugabe weltweit einen eher schlechten Ruf genießt. Später erfahren wir von unseren Gastgebern, dass der Präsident des (von ihm) heruntergewirtschafteten Simbabwe einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die hiesige Regierung ausübt. Eine andere Straße ist ebenfalls erst kürzlich nach Fidel Castro benannt worden. Generell bestehen angeblich latente Ressentiments gegen die Weißen, wenn auch derzeit nur in den Anfängen. Da diese Entwicklung jedoch von „oben“ gesteuert wird, verspricht sie nichts Gutes.
Das „Tamboti Guesthouse“ ist ein gut gesichertes Anwesen mit schwerem, stets verschlossenen Einfahrtstor und elektrischen Zäunen am Rande der Innenstadt von Windhoek. Drinnen herrscht eine entspannte Atmosphäre, die Zimmer sind geräumig, schattig und modern, zwei Schwimmbäder bieten Erfirschungsmöglichkeiten. Sogar ein Internetzugang steht für die „Süchtigen“ zur Verfügung. Nach dem Bezug unserer Zimmer holen wir am Vormittag erst einmal den während des Fluges nur in geringen Dosen genossenen Nachtschlaf nach. Anschließend setzen wir uns in den Schatten überhängender Bäume am Schwimmbad, um der Mittagssonne, die hier im Norden(!) steht, aus dem Weg zu gehen. Anschließend wagen wir einen ersten Ausflug in den Ort, der uns an diesem Nachmittag jedoch nur bis zu dem „Craft Center“ führt, in dem auf mehreren Stockwerken afrikanische Kunst aller Art angeboten wird, vom dicken Nilpferd aus dunklem Holz über langhalsige Giraffen und Elefanten aller Größenordnungen bis hin zu Bildern und CDs mit afrikanischer Musik. Wir erhalten hier einen ersten Einblick in das typische afrikanische Kunstgewerbe, wobei wir bisweilen an der manuellen Herstellung aller Artefakte zu zweifeln wagen. So manches kleine KUnstwerk dürfte auch hier aus einer Fabrik kommen, und auch der Aufdruck „Made in China“ ist nicht immer als undenkbar von der Hand zu weisen. Doch damit liegt Windhoek im Trend aller touristischen Ziele, denn wo Touristen hinströmen, dort taucht auch bald die Souvenirindustrie auf.
Für den Abend haben wir einen heißen Tip bekommen: wer nach Windhoek kommt, muss unbedingt „Joe’s Beerhouse“ besuchen. Das aus dunklem Holz erbaute einstöckige Gebäude zieht sich um einen kleinen Garten herum und bietet verschiedene Essräume mit rustikalen, dunklen Möbeln, gemütlichen Bars und intimer Beleuchtung. An Decken und Wänden hängen zahlreiche Erinnerungen an alte Zeiten, Gerätschaften und Kuriositäten aller Art; kaum ein Quadratzentimeter freier Fläche ist geblieben. Dieses Sammelsurium verleiht dem Restaurant das Ambiente einer alten Fischerkate oder einer Räuberhöhle. Auf jeden Fall herrscht hier eine dichte und gemütliche Atmosphäre. Das Essen erweist sich als schmackhaft, reichhaltig und preisgünstig, und – oh Wunder! – in diesem „Beerhouse“ gibt es sogar Wein für absolute Bier-Verächter. Wir folgen jedoch dem im Namen des Hauses verankerten Wahlspruch und trinken Bier. Zum Schluss folgt dann die zweite Spezialität des Hauses – ein „Jägermeister“!
Damit neigt sich der erste Tag seinem Ende entgegen. Noch leicht angemüdet von der langen Reise geht es zurück ins „Tamboti“, um uns für die morgige Reise nach Sossusvlei auszuschlafen.
Frank Raudszus
No comments yet.