Die Abrechnung eines Konvertiten mit einer verfehlten Ideologie.
Rainer Hank leitet den Wirtschaftsteil der „Frankfurter allgemeinen Sonntagszeitung (FAS)“. An dieser Stelle haben wir bereits sein letztes Buch „Die Pleiterepublik“ rezensiert, in dem er schonungslos die aus seiner Sicht unverantwortliche und katastrophale Verschuldung Deutschlands anprangert.
Das vorliegende Buch ist eindeutig autobiographisch angelegt, indem er darin seine Konversion von einem linientreuen, ideologisch gefestigten Linken zu einem überzeugten Liberalen beschreibt und ausführlich begründet. Er sieht sich selbst als typischen Aufsteiger, der es aus kleinen, finanziell – und wohl auch intellektuell – beengten Verhältnissen dank großzügiger Stipendien zum promovierten Geisteswissenschaftler gebracht hat. Soviel nur zu der angeblich mangelhaften gesellschaftlichen, d.h. vertikalen, Mobilität, obwohl er diesen Punkt nicht weiter thematisiert. Er bringt ihn offensichtlich nur deshalb an, um linken Kritikern nicht die Möglichkeit zu geben, seine Konversion auf den Einfluss eines großbürgerlichen Elternhauses zurückzuführen. Im Prinzip stellt er den links-visionären Aufstieg vom Proletariat zum Führungsschicht dar, jedoch ermöglicht von einer marktliberalen Demokratie.
Eingehend schildert Hank seine Sozialisation als „Linker“ in den siebziger Jahren und verdeutlicht die damals geradezu zwangsläufige Entwicklung. „Links“ bedeutete Intelligenz, Aufgeschlossenheit und Zukunftsorientierung, „Rechts“ Einfalt bis zur Dumpfheit, Engstirnigkeit und Rückständigkeit. Dieses Denkgebäude wurde den jungen Menschen als Faktum, um nicht zu sagen „Dogma“, dargereicht, das man nicht hinterfragte, und sie nahmen es wegen der inhärenten Schmeichelei dankbar an. So auch Hank.
Seine Konversion erfolgte spät, eigentlich erst, nachdem er seine erste Stelle im sozialen Bereich aufgegeben hatte und sich mehr Wirtschaftsfragen widmete. Bald musste er feststellen, dass die Wirtschaft nach anderen regeln verläuft (und verlaufen muss), als die linke Ideologie es festgelegt hatte, und erkannte die Stärken der liberalen ökonomischen Thesen eines Hayek.
Aus dem Abstand zur sozialen und damit (meist) linken Basis erkannte er auch die Grundschwäche der Linken: Begriffe wie Solidarität und Gerechtigkeit zählten dort mehr als ökonomische Fakten, wurden jedoch – und das ist das Wichtigste! – nie auf ihren Kern und ihr eigenes Wesen hin analysiert. Gerechtigkeit hieß (und heißt) für die Linken „Gleichheit“, und Solidarität wurde gleichgesetzt mit paternalistischer Versorgung der angeblich ausgebeuteten Arbeitnehmer. Hank erkannte das Schablonenhafte dieser Ideen -oder sollte man eher von „Phrasen“ sprechen? -und wandte sich immer mehr von der Idee einer sozialistischen Planwirtschaft ab und der liberalen Idee zu.
Hank lässt es jedoch nicht dabei bewenden, seine eigene Konversion als persönlichen „Entwicklungsroman“ zu beschreiben, sondern er holt auch weit aus, um die Schwächen der sozialistischen Idee zu entlarven, und geht dabei kompromisslos vor. Er selbst zitiert Robert Gernhardts Spruch „Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche“. Für seine Konversion zitiert er sogar Platon und dessen Höhlenbeispiel. Seiner ansicht nach sitzen die Linken in Platons warmer Höhle, starren gläubig die flackernden Schatten der Wirklichkeit auf der Wand an und beschimpfen jeden, der sich aus der Höhle hinauswagt, um die Realität kennenzulernen. Er selbst hat diesen Schritt gewagt und wurde entsprechend beschimpft.
Diese Beschimpfungen erfolgten natürlich vornehmlich von früheren /Weg-)Genossen, die nun in ihm einen Verräter sahen, der sich nach seinem gesellschaftlichen Aufstieg an den Fleischtöpfen der neo-liberalen Gesellschaft gütlich tat. Im besten Fall bemitleideten sie ihn um seinen moralischen Fall, nicht ohne damit ihre eigene moralische Überlegenheit zu beweisen, Natürlich traf dieser Vorwurf Hank schwer, denn er hatte mit seiner Konversion ja nicht die persönlichen Freunde aus der „linken Ära“ persönlich kränken wollen. Er gibt dies auch offen zu und geht deshalb detailliert auf diese Vorwürfe ein und beschreibt dabei gleichzeitig die Argumente der ehemaligen sozialistischen Freunde. Diese argumentieren nie von der Sache und ihrer eigenen Logik her, sondern stets von der hohen Warte einer absoluten Moral, die auf die logischen Zusammenhänge der Wirtschaft nun wirklich nicht einzugehen braucht. Für ihn immunisiert sich die Linke mit Hilfe der Moral gegen alle Widersprüche und denunziert den Pragmatiker als affirmativen Positivisten. Man merkt diesen Ausführungen an, wie sehr es Hank schmerzt, dass gerade die alten Freunde, die er persönlich sehr schätzt(e), nicht zu einer sachlichen Diskussion fähig sind und im besten Falle – wie bereits angedeutet – dem nicht ausreichend charakterfesten Genossen gegenüber eine großzügige Toleranz an den Tag legen.
In diesem Zusammenhang schildert Hank auch Fälle gegenläufiger Konvertiten, die sich von überzeugten Konservativen zu ebenso überzeugten Linken gewandelt haben. Auch hier jedoch konstatiert er bei hoher menschlicher Achtung gegenüber diesen Freunden oder Bekannten den konsequenten Unwillen, offensichtliche Widersprüche im Konzept der Linken zu diskutieren oder gar anzuerkennen. Immer siegt die „Wärme des Herzens“ (des Linken) über die „kalte Rationalität“ (des Liberalen)- Hank schließt daraus, dass der Wunsch, zu den „Guten“ zu gehören und moralisch immer auf der richtigen Seite zu stehen, bei Linken derart stark ausgeprägt ist, dass sie nicht bereit sind, die Schwächen ihrer Ideologie zu diskutieren.
Auch die Kritik an der angeblichen „Ökonomisierung“ des Lebens, die jeder Leistung und jedem Gut einen monetären Wert zuweist, weist Hank als „herzerwärmende“ Romantik zurück. Zu recht fragt er, wie man denn knappe Güter anders zuteilen solle: nach Alter; Stand oder Wartezeit? Jede andere Methode führe zu wesentlich größeren Widersprüchen und „Ungerechtigkeiten“ und würde sich in Einzelfällen als auch wirkungslos erweisen, was Hank am beispiel des Schlangestehens zeigt. Wollte man alle knappen Güter nach der längsten Anstehzeit vergeben, wie es in der DDR üblich war, so stellt sich nicht nur die Frage, warum die vergeudete Zeit nichts wert sei, sondern es zeigt sich auch, dass man gegen entsprechende vergütung „Strohmänner“ in die Schlangen stellen könne, womit wieder eine „geldwerte“ Situatiuon gegeben sei. Dieses Beispiel zeigt nicht nur die neutrale Effizienz des Geldes sondern auch die Fragwürdigkeit anderer Methoden. Darüber hinaus weist Hank darauf hin, dass die angeblich durch den modernen Kapitalismus eingeführte Ökonomisierung des Lebens bereits in Altertum und Mittelalter bekannt und üblich war, als man gegen Geld sogar das Seelenheil erwerben konnte.
Hank redet keinem unbegrenzten Wirtschaftsliberalismus wie im 19. Jahrhundert das Wort, was ihm und anderen Liberalen unter dem Begriff des „Neo-Liberalismus“ gern nachgesagt wird, sondern plädiert für klare Regulierungen des Marktgeschehens, die jedoch im wesentlichen Rechtssicherheit herstellen und Wettbewerb ermöglichen sollen. Das Wirtschaften selbst soll man den Marktteilnehmern überlassen, und den Wettbewerb hält er im Gegensatz zu den Linken für den wichtigsten Eckstein einer freien und erfolgreichen Wirtschaft. Die Banken solle man viel stärker in die Pflicht nehmen und sie für Verluste voll haften lassen. Dass eben diese Regulierungen bisher zu enttäuschend ausgefallen ist, führt er auf eine Kumpanei zwischen Banken und Politik zurück, da letztere das Geld der Banken dringend für die stetig steigende Verschuldung des Sozialstaates benötige und nicht den Ast absägen wolle, auf dem sie (noch) sitze.
Sein Gewissenskonflikte gegenüber den alten Linksgenossen lassen Hank jedoch nicht auf den letzten Metern einschwenken und in einen Relativismus abgleiten. Bis zum Schluss dieses Buches steht er konsequent zu seiner Überzeugung als Liberaler und akzeptiert dafür sogar den Begriff der „Ideologie“. Er betrachtet diese Ideologie jedoch nur als Weltanschauung, die einer momentanen Sicht nach bestem Wissen und Gewissen entspringt, und grenzt sie klar gegen den Fundamentalismus der linken Ideologie ab, die „à priori“ die Lösung für alle Probleme kenne und ein eventuelles Scheitern der Wirklichkeit zur Last lege.
Rainer Hank hat mit diesem Buch ein so deutliches und konsequentes wie erfrischend unpolemisches Buch vorgelegt. Selbst in seinen schärfsten Kritikpunkten gegenüber der Linken wertet er die jeweiligen Vertreter weder ab noch überschüttet er sie mit Hohn und Spott. Seine Gegner verlieren in diesem Buch zwar ihre Überzeugungskraft, aber nie ihr Gesicht.
Das Buch „Links, wo das Herz schlägt“ ist im Knaus-Verlag erschienen, umfasst 256 Seiten und kostet
No comments yet.