Eine Politsatire aus der „Underdog“-Perspektive des „Prinzgemahls“.
Die Rolle des „Prinzgemahls“ ist eine äußerst undankbare. Entstanden ist der Begriff am Beispiel von Prinz Philip, des Gatten der englischen Königin, die nun bereits seit sechzig Jahren regiert. Seit dieser Zeit führt ihr Mann notgedrungen ein Schattendasein neben seiner berühmten Frau. Ob und wie er damit zurechtkommt, wissen wir nicht und geht uns auch nichts an, aber man kann sich vorstellen, dass es nicht eben leicht ist, sich in dieser nachgeordneten Rolle zurechtzufinden – und das noch als Mann!
Die aktuelle politische Situation bietet sich geradezu dafür an, diesen Rollenkonflikt am bodenständigeren und, ja, schlichteren Beispiel unserer deutschen Kanzlerin satirisch nachzuspielen. Regiert doch auch sie schon eine für einen Kanzler lange Zeit unangefochten in Berlin und hat sogar gute Chancen, noch eine Legislaturperiode draufzusatteln. Auch sie ist mit einem Mann verheiratet, der nicht einmal den selben Nachnamen trägt – er heißt Joachim Sauer – und sich konsequent im Hintergrund hält. Außerdem ist sie bekannt – unter Politikern berüchtigt – für ihre Durchsetzungsfähigkeit.
Diese Randbedingungen eignen sich hervorragend, daraus eine Satire über den deutschen Politikbetrieb und vor allem die Kanzlerin zu verfassen. Dass dabei die erzählende Hauptperson, Angela Merkels Mann, zum einflusslosen und herumgeschobenen „Hausmann“ wird, gehört in den Bereich „dichterische Freiheit“ und ist sein Pech. In der Realität scheint er diesem Profil überhaupt nicht zu entsprechen, aber die Satire geht weder mit Haupt- noch mit Nebenpersonen wohlwollend um.
Bereits der Titel des Buches, das keinen Verfasser ausweist, bezieht sich satirisch auf einen realen Hintergrund: in den achtziger Jahren veröffentlichte der „Stern“ angeblich echte Tagebücher Adolf Hitlers, die sich später – peinlich, peinlich – als mehr oder minder geschickte Fälschungen herausstellten. Da legen die Verfasser dieses (Hör-)Buches lieber gleich die Karten auf den Tisch und geben die Fälschung zu.
Das Tagebuch spiegelt das Jahr 2012, in dem Angela Merkel unangefochten regierte, Barack Obama als Präsident wiedergewählt wurde, Deutschland im Halbfinale der Fußball-WM gegen Italien verlor und noch einige weitere, weniger spektakuläre Ereignisse eintraten. Der heimliche Tagebuchschreiber – seine Frau darf davon nichts wissen – sinniert und klagt über die dauernde Abwesenheit seiner Frau, ihren Durchgriff auf die häuslichen Abläufe, ihre ewigen Telefonate und die kleinen alltäglichen Kalamitäten, die angesichts der Rolle seiner Frau fast zwangsläufig eine eigene Komik entwickeln. Mit Vorliebe klagt er über kleinere finanzielle Engpässe, wie sie in deutschen Durchschnittshaushalten auftreten, sicher aber nicht bei „den Merkels“. Aber was soll´s: gerade diese kleinbürgerlichen Probleme beim Einkaufen, beim Kochen und bei der Wohnungspflege wirken natürlich erheiternd, vor allem, wenn sie noch mit der leicht jammernden Stimme eines halben Pantoffelhelden vorgebracht werden. Der Tagebuchschreiber fühlt sich ewig unterbewertet, mindergeschätzt und in die Ecke geschoben. Eine wesentliche Schuld hat dabei seiner Meinung nach „die Baumann“, Angela Merkels Sekretärin, die vermeintlich ein engeres Verhältnis als er zur Kanzlerin pflegt und ihn gemeinerweise nach allen Regeln der Kunst austrickst.
Gleich danach kommen die Minister und andere politische Größen in Angela Merkels Umfeld, sei es im Inland oder im Ausland. Das bietet natürlich viel Raum und Steilvorlagen für satirische Glossen über Steinbrück, Gabriel, Hollande, Pofalla, Seibert, von der Leyen – und wie die Damen und Herren der politischen Garde dieses Jahres so hießen (oder noch heißen). Das ist oft treffend und aus der hilflosen Sicht des immer etwas beleidigten „Prinzgemahls“ auch erheiternd. Die Spitzen gegen die Politiker wirken dadurch im ersten Augenblick wie das Ressentiment des „kleinen Mannes“ und entwickeln ihre Pointe erst im Nachhinein.
Es ginge hier zu weit, auf einzelne Beispiele einzugehen, weil man dann gleich Dutzende aufzählen müsste. Es ist viel besser, den Lesern dieser Zeilen das Hörbuch zu empfehlen. Christoph Maria Herbst, der Hauptdarsteller der Kult-Fernsehserie „Stromberg“, liest das Tagebuch mit dem Zungenschlag des ewig Zurückgesetzten, der sich aber nicht richtig wehren kann. Wie gesagt, das mag das Profil des Joachim Sauer „total verfälschen“, aber dafür ist es ja auch ein gefälschtes Tagebuch und sowieso eine Satire. Wir wünschen viel Spaß beim Zuhören!.
Das Hörbuch ist bei Argon-Hörbuch erschienen, umfasst 3 CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 3 Stunden, 21 Minuten und kostet 16,95 €.
Frank Raudszus
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