„Ein Mensch“ trifft „beste Ehefrau“

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Günther Maria Halmer und das „Martina Eisenreich Quartett“ servieren beim Rheingau Musik Festival Eugen Roth und Ephraim Kishon.

Die Weingüter des Rheingaus bieten im Rahmen des Rheingau Musik Festivals traditionell die heiteren bis besinnlichen „Schmankerl“ des Musikbetriebs. Bei den „fahrenden Musikern“ waren das kleine Blues- und Jazz-Bands in verschiedenen Weingütern, und in der Domäne Rauenthal in Eltville ist dieses Jahr der Filmschauspieler Günther Maria Halmer zu Gast, um dort Gedichte und Geschichten von Eugen Roth und Ephraim Kishon vorzutragen. Damit dieser sprachliche Beitrag akustisch nicht allzu trocken gerät, hat sich das Quartett der Filmkomponistin Martina Eisenreich mit ihr als Violinistin dazugesellt. Der Bassist Stephan Glaubitz, der Gitarrist Christof Müller und der Schlagzeuger – oder besser: Perkussionist – Wolfgang Lohmeier unterstützen sie dabei, den Vortragenden nicht nur musikalisch zu unterstützen sondern die Musik als gleichwertigen Partner der Literatur zu etablieren.

Günther Maria Halmer

Günther Maria Halmer

Günther Maria Halmer eignet sich hervorragend für diese Art von Literatur, hat sein Gesicht mit dem gern zugespitzten Mund doch etwas Spitzbübisches an sich. Man erwartet von diesen Lippen stets eine hintergründige Sentenz, die sowohl Humor als auch Menschenkenntnis in sich birgt. Und diese Erwartung erfüllte der Schauspieler an diesem kühlen Augustabend, der die Veranstalter dazu bewogen hatte, Sitzflächen und Bühne nicht nur luftig gegen die Sonne, sondern auch hermetisch gegen eventuelle Regenfälle zu schützen. Das letztere dann doch erst nach dem Ende der Veranstaltung, dann aber umso kräftige, einsetzten, kam der Veranstaltung natürlich zugute, da andernfalls der auf das Zelt prasselnde Regen wohl gestört hätte.

Es begann musikalisch mit einem Stück, das stark an die Musik erinnerte, die man früher politisch inkorrekt „Zigeunermusik“ nannte. Nicht nur rhythmisch, sondern auch klanglich holten die vier Musiker schon im einleitenden Stück erstaunliche Effekte aus ihren Instrumenten, wobei sie durchaus den humoristischen Effekt betonten. Man könnte durchaus von einer Vertonung des Humors Eugen Roths und Ephraim Kishons sprechen.

Günther Maria Halmer begann denn auch launig mit der Bemerkung, er habe bei der Anfahrt vom Chiemsee glücklicherweise nur einen Stau erlebt: zwischen München und Wiesbaden, rühmte dann aber. und nicht nur zur Gewinnung des Publikums, die Schönheiten des Rheingaus. Anschließend trug er drei längere Texte Ephraim Kishons vor, bei dem es mit dem typisch verzweifelten Kishon-Humor um die Anschaffung und anschließende Dressur eines Hundes sowie um den ersten Schwimmunterricht des Autors für seinen kleinen Sohn ging. Dass der Ich-Erzähler – es ist stets Kishonh selbst – dabei mit jeweils mehr oder weniger großer Geste scheitert, versteht sich bei diesen Geschichten von selbst und zieht das Publikum sofort auf die Seite des Protagonisten. Kennen doch viele ähnliche Situationen, wenn auch vielleicht nicht so satirisch zugespitzt, und fühlen sich nicht mehr allein. Dass dabei die „beste aller Ehefrauen“ stets den Überblick behält und im Hintergrund die Fäden zieht, ist auch eine der weit verbreiteten Realität entlehnte Erkenntnis.

Dazu lieferte Martina Eisenreich mit ihrer Band Stücke, die einerseits vertraut erschienen und andererseits doch völlig neu interpretiert wurden. Die vier Musiker legten es dabei immer wieder auf überraschende rhythmische und klangliche Effekte an, sei es, dass sie den Instrumenten völlig neue Klänge entlockten oder das Publikum Variationen von Tempo und Lautstärke überraschten. Jedes dieser Stücke – ob lateinamerikanische Rhythmen oder Wiener Kaffehausmusik – war ein kleines Juwel und Zeichen so geschickten wie originellen Arrangements. Dabei klang dann auch mal die Geige durch ein verstärkendes Horn nostalgisch, so bei dem alten Schlager „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“.

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Günther Maria Halmer und das „Martina Eisenreich Quartett“

Nach dem „Kishon-Block“ und der Pause folgte eine Reihe von Kurzgedichten Eugen Roths, die alle mit dem berühmten „Ein Mensch“ beginnen und stets treffend aber humorvoll typische menschliche Schwächen aufs Korn nehmen. Mit einem Anflug eines Lächelns kündigte Halmer an, zu Beginn sechs Gedichte zum Thema Liebe vorzutragen – das Publikum verstand und lachte. Da geht es um verpasste Gelegenheiten, zur Unzeit eintreffende Freunde und um ganz banale Widerstände gegen einen Seitensprung, aber auch um die Vernebelung des Geistes durch den „süßen Mund“. Jedem dieser Gedichte verlieh Halmer je nach Gegenstand einen ganz eigenen Charakter und brachte Hoffnung, Enttäuschung, Wut und Resignation stimmlich und mimisch überzeugend zum Ausdruck. Man durchlebte mit ihm die jeweilige – peinliche oder erfreuliche, hoffnungsvolle oder enttäuschende – Situation, als stecke man selbst in ihr. Ähnliches gilt für die folgenden Gedichte, wo es unter anderem um das stets falsche Anstellen an einem Schalter oder um den ohnmächtigen Hass auf die Krankenkassen geht. Der selbsternannte Musikkenner erlebt sein Waterloo, und die Welt bestraft den, der nicht die Arzt-Empfehlungen seiner Freunde und Bekannten annimmt. Zum Ende hin räsonierte Halmer alias Eugen Roth noch ein wenig altersklug über Zeit und Vergänglichkeit, bevor der Schlussapplaus aufbrandete.

Die Musiker hatten auch im zweiten Teil für abwechlsungsreiche Musik gesorgt und zum Teil auch Halmers Vortrag mit leisen, ostinaten Klangflächen untermalt. Dem Publikum hatte die Veranstaltung so gut gefallen, dass es mit seinem kräftigen Beifall und den Bravo-Rufen sogar noch eine Zugabe herausholte.

Frank Raudszus

 

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