Soul aus zwei Kontinenten unter dem Schlossturm

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Bei der „Ladies´Night“ des Rheingau Musik Festival treten Sabrina Starke aus Surinam und Ieyoka aus Nigeria auf der Seebühne von Schloss Vollrads auf.

Unter „Ladies´Night“ hatten sich manche Besucherinnen etwas anderes vorgestellt und wunderten sich anscheinend über die vielen anwesenden Männer an diesem Abend auf Schloss Vollrads im Rheingau. Deshalb fühlte sich Veranstalter Michael Herrmann veranlasst, darauf hinzuweisen, dass sich „Ladies“ auf die Künstler bezog und keine Exklusivität beim Publikum implizierte. Scherzhaft bot er an, für die Männer für die Dauer des Konzertes in der Gastronomiezone ein Fass Freibier zur Verfügung zustellen…..

Die „Ladies“ waren bei diesem Konzert – außer einem merklichen Anteil offensichtlich allein angereister Damen – durch die beiden Sängerinnen vertreten. Sabrina Starke, Jahrgang 1979, stammt aus Surinam, lebt seit Kindertagen in Rotterdam und beschloss schon früh, Sängerin zu werden. Ieyoka kam in Nigeria zur Welt und wanderte mit ihen Eltern bereits als Kind in die USA aus, wo sie erst in Boston als Apothekerin arbeitete, ehe sie sich ausschließlich dem Gesang widmete. Beide Sängerinnen sind in ihrer jeweiligen Wahlheimat aufgewachsen und dort vollständig sozialisiert; dennoch haben sie den Kontakt zu ihrer Heimat und deren Kultur nie vergessen und pflegen ihn in Gestalt ihrer ganz eigenen Musikauffassung.

Sabrina Starke und ihre Band

Sabrina Starke und ihre Band

Den ersten Teil des Konzerts bestritt Sabrina Starke mit ihrer dreiköpfigen Band – Bas van der Wal(Gitarre), Salle de Jong (Schlagzeug) und Niels Spree (Keyboard) – und großenteils eigenen Liedern, etwa aus dem Album „Yellow Brick Road“. Leider stieg Sabrina Starke ohne Ansage sofort in den ersten Song ein und verzichtete auch während ihres Auftritts weitgehend auf Zwischentexte im Sinne einer Erklärung oder Moderation. Da die Texte selbst aus dem Gesang kaum verständlich sind, konnten sich nur gute Kenner dieser Sängerin und ihres Repertoires orientieren. Des Weiteren ähneln sich die Stücke stark hinsichtlich Instrumentierung und Gesangsvortrag, so dass trotz der unbestrittenen musikalischen Qualität eine gewisse Monotonie nicht zu vermeiden war, die sich auch an dem meist kurzen und eher freundlichen Beifall des Publikums ablesen ließ. Begeisterung sieht anders aus. Sabrina Starke schien das bald zu merken und versuchte, das Publikum mit den üblichen Mitteln des „Mitmachens“ – Singen und Klatschen – zu motivieren. Doch die geringe Trennschärfe zwischen den einzelnen Stücken und das Fehlen wirklich zündender Nummern ließ auch die Publikumsbeteiligung mehr oder minder versanden. Dabei wiesen die einzelnen Stücke durchaus ihre musikalischen Qualitäten auf, so etwa raffinierte, versetzte Rhythmen oder ostinate Figuren im Sinne der „minimal music“. Doch haben diese Stilmittel die Eigenart, eher (Soul-)Kenner als ein breites Publikum anzusprechen, das sich bei einem Freiluftkonzert an einem warmen Sommerabend in einem ansprechenden Ambiente eher markante Melodien mit hohem Wiedererkennungswert wünscht. Doch „Evergreens“ der Soul- oder Pop-Musik, die jeder kennt  (und begeistert mitsingt) waren Mangelware, was allerdings eher für die Künstlerin als gegen sie spricht.

Die Songs von Sabrina Starke, großenteils von ihr selbst und befreundeten Musikern geschrieben, entstammen dem Soul-„Milieu“, das sich immer um emotional aufgeladene Auseinandersetzungen mit der Realität bemüht hat. Darüber hinaus trug die Sängerin die Texte oft in einer Art gehobenen Sprechgesang vor, was der Aussagekraft des Textes – so er denn durchweg verständlich ist – zwar zugute kommt, aber keinen Funken auf das Publikum überspringen lässt. Auch ist Sabrina Starkes Stimme zwar biegsam und ausdrucksstark, aber nicht so kräftig, dass sie damit die Zuhörer von den Stühlen reißt. Um das Publikum mitzunehmen, sollte man entweder die Texte der Nummern im Programmheft abdrucken oder zumindest die Inhalte der einzelnen Songs kurz zusammenfassen. Stattdessen holte Sabrina Starke eine beliebig ausgewählte Dame aus dem Publikum zu sich auf die Bühne, die dann allerdings nur zaghaft mitklatschte und freundliche lächelte. Glücklicherweise forderte Sabrina Starke sie nicht auf, im Duett mit ihr zu singen. Man fragte sich aber zu Recht, was diese Dame auf der Bühne sollte. Das Publikum war an diesem Abend jedoch auf Harmonie gestimmt und spendete Sabrina Starke nach ihrem fast einstündigen Auftritt mehr als freundlichen Beifall, was sie noch zu einer Zugabe motivierte.

Ieyoka in Siegerpose

Ieyoka in Siegerpose

Die Veranstalter hatten Ieyoka – „Ioka“ ausgesprochen – nicht zufällig im zweiten Teil des Konzerts platziert – sozusagen als finalen Höhepunkt. Von Anfang an machte sie mehr „Dampf“ auf der Bühne, sprach das Publikum mit Zwischentexten und persönlichen Bemerkungen an und ließ auch immer wieder Scherze einfließen. Dabei lieferte sie auf der Bühne ein „Gesamtkunstwerk“ aus Körpersprache – man kann es auch Tanz nennen -, Gesang und professioneller Unterhaltung (neudeutsch: „Entertainment“). Die sechsköpfige Band war naturgemäß wesentlich variabler, wobei vor allem Andrew Bergman am Saxophone und Eli Clemens an den Congas für musikalischen Mehrwert sorgten. Den Hintergrund-„Sound“ besorgten  Shree Sadagopan (Gitarre), Aaron Friedman (Bass) und Jonathan Heraux (Schlagzeug). Dagegen konnte einem die zweite Vokalistin („backing vocal“) Roslynn Hutson etwas leid tun, da sie meist untätig aber tapfer lächelnd vorne auf der Bühne stand und nur punktuell die Zweitstimme beitrug. Sicher kann sie mehr als sie hier zeigen durfte. Denn Ieyoka beherrschte die Bühne von der ersten bis zur letzten Sekunde und ließ das Publikum keinen Augenblick aus ihren Fängen. Und das machte sie durchaus professionell, wobei ihr ihr Temperament, ihr Selbstbewusstsein, ihre Sprachgewandtheit und ihre voluminöse Stimme zugute kamen. Mit dieser Stimme trug sie nicht nur ihre Songs auf zwingende Weise vor, sondern fing das Publikum auch mit ihrer Moderation zwischen den einzelnen Nummern gekonnt ein, wobei sie alle emotionalen Mittel bis an die Grenze des Kitsches einsetzte. So etwa, wenn sie über die Liebe sprach und den entsprechenden Song mit der Aufforderung ankündigte, an eine geliebte Person zu denken und überhaupt die Liebe im täglichen Leben zu praktizieren. Nun ja, bei einer solchen Veranstaltung ist das durchaus legitim, und das Publikum nahm es auch gelassen und mit dem nötigen Humor auf.

Im Ganzen war dieser zweite Teil wesentlich dynamischer, die einzelnen Stücke musikalisch deutlicher voneinander abgegrenzt, und die Stile – zum Beispiel zwischen schnell und langsam, zwischen temperamentevoll und besinnlich – wechselten stärker als im ersten Teil. Die Zuschauer erhielten zwar vorab einen gewissen Eindruck von dem jeweils nächsten Stück, doch die auch hier nur schwer zu verstehenden Texte – außer Bruchstücken – beließen das Publikum auch bei Ieyoka in einer gewissen Distanz. Wenn man die Nummern nicht kennt – auch hier wieder eine Insider-Frage – und die gesungenen Texte nur partiell versteht, kann man nicht im gleichen Maße mitgehen, wie man es zum Beispiel von den großen Gesangsummern der Protest-Kultur gewohnt ist. Allerdings gelang es Ieyoka, mit geradezu professionellen Mitteln das Publikum aus der Reserve zu locken und letztlich zu „stehenden Ovationen“ zu veranlassen.

Wenn man sich auf die Musik einließ und die erwähnten Schwächen der Darbietung nicht zu stark bewertete, konnte man einen unterhaltsamen Abend mit durchaus hörenswerter und abwechslungsreicher Musik erleben. Das schöne Sommerwetter tat ein Übriges für einen gelungenen Abend.

Frank Raudszus

 

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