Abseits touristischer Hotelmeilen
Rund um das Golfer-Paradies Belek locken verschiedene Orte zu einem Ausflug
Das türkische Belek östlich von Antalya ist mit seinen vielen Golfplätzen ein Paradies für Golfer. Doch Golfer müssen auch mal etwas anderes als Golfplätze sehen, und für andere Reisende gilt Ähnliches: auch sie sollten hin und wieder ihr Urlaubshotel verlassen und sich die Umgebung ansehen.
Rund um Belek gibt es tatsächlich attraktive Ausflugsziele. Da ist vor allem der „Nationalparl Köprülü“ mit dem gleichnamigen Canyon zu nennen. Der Fluss Köprülü kommt aus den Bergen im Norden hinunter zum Meer und mündet dort zwischen Antalya und Alanya. Hoch oben in den Bergen hat er sich über Jahrmillionen durch die Felsen geschnitten und dabei einen tiefen Canyon geschaffen, der heute als beliebtes Ausflugsziel für Rafter und andere Wassersportler gilt.
Von Belek aus gelangt man dorthin am besten per (Leih-)Wagen. Auf der breiten Ost-Westverbindung entlang der Südküste fährt man erst nach Serik und biegt dann einige Kilometer weiter östlich nach Norden ab. Das Ziel „Köprülü Kanyon“ ist dabei deutlich ausgeschildert, so dass man die Abfahrt gar nicht verpassen kann. Unser Leihwagenvermieter im Hotel hatte uns vor Antritt der Fahrt noch vor der ausgesprochen schlechten Straße dorthin gewarnt. Aber er muss sehr lange nicht mehr dort gewesen sein, denn wir fuhren auf einer breiten, gut ausgebauten Straße hinauf nach Norden in die Berge. In langen Kurven schraubt sich die Straße durch dichte Pinienwälder und kleine Ortschaften nach oben, aber schlechter wird sie nicht. Lange Zeit warteten wir gespannt auf den Beginn der schlechten Wegstrecke, doch die glänzte durch Abwesenheit. Die gesamte Strecke von über vierzig Kilometern ist von bester Qualität.
Die Annäherung an den berühmten Canyon erkennt man an der zunehmenden Werbung für Rafting-Touren und diverse Restaurants am Straßenrand. Der letzte Ort vor dem Canyon, Beşkonak, profitiert bereits von der zunehmenden touristischen Attraktivität des Gebiets und begrüßt die durchfahrenden Besucher vor allem mit seiner das Ortsbild beherrschenden Moschee. Etwas später führt links ein Weg hinunter zu dem türkisfarbenen Fluss, wo Raftingflöße auf ihre Mieter warten. Doch wir wollen den Canyon sehen und sind bei acht Grad Wassertemperatur nicht unbedingt an einer Raftingtour auf dem bewegten Fluss interessiert. Kurz nach einer kleinen Passhöhe öffnet sich ein weites Tal, durch den der Fluss breit und etwas ruhiger dahinströmt. Am Ufer des hier geradezu idyllischen Flusses locken Restaurants zum Besuch, aber es ist noch früh im Jahr und wir sind fast die einzigen Besucher. Für unsere Erkundung des Canyons sind das natürlich gute Voraussetzungen, müssen wir doch weder um einen Parkplatz kämpfen noch uns mit ganzen Busladungen von Touristen um die besten Aussichtspunkte auf den Canyon streiten. So fahren wir geruhsam durch die Ansammlung von Häusern und Restaurants, die den nahen Canyon ankündigen, und werden auch prompt von einem jungen Mann angesprochen, der uns sofort auf einem speziellen Weg zum Canyon führen will. Wir lehnen dankend ab und folgen der enger werdenden Straße hinauf zum Canyon. Nach einigen engen Kurven führt der Weg über eine alte Brücke hoch über dem Canyon, die gerade einmal ein Auto – PKW! – passieren lässt. Dahinter finden wir einen passenden Platz für das Auto – und treffen beim Aussteigen wieder auf den jungen Mann, der uns per Motorrad gefolgt ist und uns nun erneut seine Führung auf geheimen Pfaden anbietet. Dieses Mal lassen wir uns überzeugen und folgen ihm entlang der Felswand auf verschlungenen Pfaden hinunter in siw Schlucht, von wo wir schon das Wasser donnern hören.
Ohne unseren Führer hätten wir wahrscheinlich nur den Weg zum offiziellen Aussichtspunkt gefunden, so aber geht es über Stock und Stein hinunter. Gefährlich wird es nie, aber hin und wieder muss man schon aufpassen, dass man den Fuß richtig setzt und nicht ausrutscht. Für die Mühe entschädigt uns dann der Eindruck unmittelbar über dem tosenden Wasser, das die in Jahrmillionen rundgewaschenen Felsen umspült. Mitten im Fluss liegt ein besonders großer Brocken – etwa zehn Meter lang und fünf Meter im Durchmesser -, der vor langer Zeit aus der Wand gebrochen ist, wo man noch die Lücke erkennen kann, die er hinterlassen hat. Rafting dürfte hier nicht mehr möglich sein, das ist höchstes etwas für Wildwasserfahrer. Aber wir sehen hier keine Wassersportler, der Fluss folgt hier noch einer touristisch jungfräulichen Spur. Nur hoch oben auf einem Felsvorsprung schaut eine Gruppe von Touristen beeindruckt in die Tiefe. Sie haben halt keinen Führer, der sie in die Schlucht begleitet.
Die Brücke, auf der wir den Canyon überquert haben, stammt noch aus römischer Zeit, wurde aber – glücklicherweise – mittlerweile vollständig restauriert. Sie verleiht der wilden, steilen Felsschlucht einen besonderen Charakter, wie ihn romantische Maler gerne wiedergegeben haben. Wilde Natur plus fragile menschliche Technik. Angeblich ist hier einmal ein Bus in die Tiefe gestürzt.
Nachdem wir den Trampelfad wieder hinaufgeklettert sind, stellt sich die Frage des weiteren Programms. Der nächste Ort in den Bergen heißt Selge, was uns natürlich nichts sagt. Aber unser Führer bedeutet uns, dass sich ein Besuch lohnt, da es sich um die Reste einer antiken Stadt handelt. Also schrauben wir uns mit dem Auto weitere hundert oder mehr Serpentinen in die bewaldeten Berge hoch, sammeln zwischendurch noch einen Ziegenhirten auf, dem der Aufstieg zu mühsam geworden ist, und landen schließlich in einem Hochtal, in dem sich der Ort Selge erstreckt.
Selge wurde laut einer Legende von Flüchtlingen aus Troja gegründet, hatte kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung unter römischer Herrschaft 20.000 Einwohner und war ein wichtiges Zentrum an der Südküste der heutigen Türkei. Den Standort fünfzig Kilometer landeinwärts hatte man vor allem aus gesundheitlichen Gründen gewählt: an der Küste tummelten sich vor allem im Sommer im Brackwasser der Flüsse Malariafliegen udn andere gefährliche Insekten, so dass man den Standort sechzig Kilometer landeinwärts auf tausend Meter Meereshöhe verlegte. Heute leben noch fünfhundert Menschen in Selge, doch von der alten Zeit kündet neben vielen verstreuten Trümmern vor allem das große Amphitheater, das zwar im 17. Jahrhundert bei einem Erdbeben schwer beschädigt wurde, aber doch in den Grundstrukturen erhalten blieb. Heute wächst das Gras um die alten Mauern, und als touristische Attraktion fristet der Ort ein Schattendasein, da offensichtlich das Geld für eine gründliche Restauration der antiken Bebauung fehlt. Es stellt sich allerdings die Frage, wieviele Touristen überhaupt den langen Weg von etwa sechzig Kilometern abseits der Küste auf sich nehmen würden, um die Reste von Selge zu besichtigen. So bleibt der Ort an diesem Nachmittag unserer kleinen Reisegruppe vorbehalten. Das Amphitheater entstand im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und bot knapp 10.000 (!) Besuchern Platz. Auch heute noch beeindruckt die Akustik dieses antiken Baus, hört man doch selbst in der letzten Reihe noch sehr gut, was unten auf der Bühne gesprochen wird.
Wer in Selge auf den antiken Geschmack gekommen ist und noch Lust auf weitere Ausgrabungen verspürt, dem empfehlen wir einen Ausflug nach Side. Dieser Ort liegt direkt am Meer, etwa sechzig Kilometer südöstlich von Selge. Der nächste moderne Ort ist Manavgat, doch der lohnt keinen längeren Aufenthalt. Side liegt dagegen fast malerisch auf einer vorspringenden Landzunge am Meer und besteht aus einer Ansammlung von alten Gebäuden, die zum Teil noch gut erkennbar sind. neben der alten Stadtmauer sind noch die Marktplätze und verschiedene repräsentative Bauten vorhanden. Darüber hinaus bedecken zahllose Trümmerstücke aus Granit und Marmor den Boden. Hier gibt es für Archäologen noch viel zu tun, und aus den herumliegenden Teilen von Säulen und Reliefs könnte man sicher wieder Teile alter Gebäude restaurieren. Auch das ist offensichtlich eine Kostenfrage. Aber auch ohne aufwändige Restaurationen des alten Stadtbilde erhält man einen guten Eindruck von der ehemaligen Stadt, die bereits vor 3.500 Jahren gegründet wurde und lange Zeit eine beherrschende Stellung im östlichen Mittelmeer einnahm.
Heute hat sich um die antiken Ausgrabungen und das zugehörige Museum eine ganze Souvenir- und Restaurantszene entwickelt, die mehrere Straßenzüge einnimmt. Hier kann man alles kaufen: von Gewürzen über die üblichen Andenken bis hin zu Kleidungsstücken, deren bekannte Markennamen nicht immer unbedingt auf Echtheit schließen lassen…
Side sollte man entweder an einem schönen Tag besuchen, wenn die anderen Touristen den Strand genießen, ober aber bei grauem Wetter früh erscheinen. Spätestens ab elf Uhr nahen die Busse von den Hotels, die hier über einhundert Kilometer den Strand säumen. Dann kann es recht voll werden, und man kann weder die antiken Reste genießen noch in Ruhe einen Bummel durch die Einkaufsstreßen unternehmen.
Überhaupt sollte man sich in Side mit dem Einkauf zurückhalten, da hier die Preise aufgrund des großen Touristenansturms und der begrenzten Anzahl von Läden nicht gerade niedrig sind. Wer gut einkaufen möchte und dabei ein wenig städtisches Flair genießen will, sollte nach Alanya fahren. Diese Stadt weiter im Osten bietet wesentlich mehr Möglichkeiten, und die Preise sind aufgrund der großen lokalen Konkurrenz auch günstiger. Außerdem gibt es hier auch eine wesentlich größere Auswahl an Restaurants, die nicht nur – wie in Side – den schnellen Besucher abfangen wollen sondern sich um die Kunden bemühen müssen. Außerdem verfügt Alanya über einen modernen Hafen, der nicht nur einen reizvollen Blick auf die Stadt und die Burg sondern auch auf die umliegende, bergige Küste bietet.
Frank Raudszus
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