Vom Kalauer bis zur Kunstvorlesung
Die musikalischen Komiker von „Ass-Dur“ präsentieren ihr Programm „2. Satz: Largo Maggiore“ beim Rheingau Musik Festival
Zwei Musikstudenten an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin – Dominik Wagner und Benedikt Zeitner – spielten und sangen irgendwann bei einem klassischen Gesangs- und Klavierabend zusammen und stellten fest, dass sie beide die bierernsten (E-)Musikveranstaltungen zum Heulen fanden. Musik ohne Humor kam für sie nicht in Frage, und so bauten sie ihr erstes gemeinsames Programm zusammen. Beiden kommt ihre solide musikalilsche Ausbildung zugute. Zeitner ist ausgebildeter Bariton und hat bereits auf verschiedenen Opernbühnen gestanden, Wagner ist vor allem Klavierspieler.
Das Duo trat am 30. Juli im Rahmen des Rheingau Musik Festivals im Weingut Diefenhardt in Martinsthal auf.
Vom äußeren Typus entspricht Zeitner dem Wunsch-Schwiegersohn: Groß, blond, offen und kommunikativ. Wagner dagegen macht eher den Eindruck des maulfaulen Introvertierten. Diesen vordergründigen Ersteindruck haben die beiden geschickt in ihre Programmstruktur eingebaut. Zeitner mimt mit Hingabe eben diesen extrovertierten Typ, übernimmt die Moderationen (laut einstimmiger interner Abstimmung, bei der 50% der Mitglieder anwesend waren) und zeigt seine ganze Eloquenz und Bildung. Kurz, er ist derjenige, der sich stets in den Vordergrund spielt und das auch genießt. Bisweilen ist das so gut gemacht, dass man nicht mehr weiß, ab das noch Schauspielerei oder sein echtes Wesen ist. Wagner dagegen spielt den Gelangweilten, vom selbstgefälligen Gehabe seines Kompagnons genervten Klavierspieler, der neben seinen schwarzen und weißen Tasten nur eindeutige Witze im Kopf hat. Immer, wenn Zeitner gerade zu einer langen, geschwungenen Rede über sich und die Musik anhebt, unterbricht er ihn mit einer scheinbar unsinnigen Frage, die stets in einem nicht ganz stubenreinen Kalauer endet. Aber mit diesen trockenen Witzen stiehlt er Zeitner stets die Show – natürlich ist das so choreografiert – und erntet das Gelächter des Publikums. Mit dieser Aufteilung der Rollen schaffen die beiden ein komisches Spannungsfeld, das immer wieder Anlass zu herzlichem Gelächter gibt. Allein der Kontrast zwischen Zeitners eitler, geschniegelter Selbstdarstellung und Wagners dröger Obstruktion bietet ausreichend Stoff zum Lachen, die Dialoge umso mehr.
Das Ganze ist natürlich eingebunden in musikalische Darbierungen. So stellen die beiden fest, dass bereits die klassischen Komponisten für den Fußball komponiert haben, und Wagner beweist dies, in dem er Mozarts „Kleine Nachtmusik“ gekonnt mit dem bekannten Fußballerlied „Olé, olé olé olé“ vermischt, und auch Beethoven wird als früher Fußball-Komponist „entlarvt“. Sein Klavierstück „Die Wut über den verlorenen Groschen“ garniert Wagner gekonnt mit dem Stehplatzgesang „Ihr könnt nach Hause gehn“. Daneben übt sich Wagner auch einmal in der Kunst, Mozarts „Facile“-Klaviersonate auf dem Rücken liegend blind mit überkreuzten Händen zu spielen.
Weiter geht es zu Schubert, aus dessen „Winterreise“ Zeitner gerne den „Leiermann“ vortragen möchte. Leider versteht Wagner „Eiermann“ und spielt den Gassenhauer, so dass der von Zeitner mit soviel künstlerischem Ernst angekündigte Liedvortrag ziemlich in die komische Hose geht.
Die Parodie von Michael Jackson verbinden die beiden geschickt mit dem Kinderlied „Es geht ein Bi-Ba-Butzemann“, das sie dann noch mit eigenem Text humoristisch und gesanglich bis hin zum „Butzeman-Rap“ gehörig ausschlachten. Dann bekommen auch noch die Musikwissenschaftler ihr Fett weg. In zu enger Jacke mit zu kurzen Ärmeln und mit streng gescheitelten Haaren hält Zeitner eine monotone, mit überdrehten Fachausdrücken gespickte Rede über die Entwicklung der Musik, die schließlich in einer abstrusen Erklärung der „Heavy Metal“-Musik und dann in einem entsprechenden Auftritt mit Kapuzenshirt, langem Wirrharr, metallschwerer Musik und Nebeldämpfen endet.
Der zweite Teil fällt leider gegen den ersten ein wenig ab. Die musikalischen Einlagen nehmen zugunsten reiner Sprech-Comedy ab. Das Bewerbungsgespräch zwischen den beiden ist zwar recht witzig, aber ragt nicht aus der normalen Comedy heraus. Das gilt auch für den Geschenkaustausch zwischen den beiden (zum 750. Auftritt), der zwar menschliche Empfindlichkeit und Gefühllosigkeit auf den Punkt bringt, aber keinen Bezug zur Musik aufweist. Dagegen hat die kleine Einlage mit den Barbiepuppen einigen Charme, wenn Wagner diese in verschiedenen bekannten Liedern über die Tasten des Klaviers laufen lässt und anschließend seinen Kompagnon mit einer diesem nachgebildeten „Ken“-Puppe düpiert.
Auch der Musikwissenschaftler tritt im zweiten Teil noch einmal auf, noch verklemmter, noch weltfremder, und referiert abgehoben über „Hip-Hop“. Diese kleine Vorlesung ist inhaltlich durchaus nicht so abstrus, wie sie von Zeitners Auftreten und seiner vordergründigen Wortwahl scheint. Der Witz liegt in der Diskrepanz zwischen dem anarchischen Gegenstand und dessem staubtrockenen Erforschen durch einen Schreibtischgelehrten, der wahrscheinlich nie eine Discothek von innen gesehen hat. Zeitner karikiert diesen Typen auf treffendste Weise bis hin zur fehlerhaften Aussprache des „sch“ („ch“).
Nach den verschiedenen Umkleideaktionen zwischen Rap-Sängern und verklemmtem Wissenschaftler müssen sich die beiden natürlich wieder in Schale werfen, und das geschieht beim Klavierspielen. Während beide zusammen vierhändig Beethovens 5. Sinfonie – vermischt mit anderen Motiven – spielen, ziehen sie sich gegenseitig aus und wieder an. Der Höhepunkt ist dabei Zeitners Sprung vom Klavierhocker in die Jeans.
Zeitner und Wagner zeigen beide durchaus, was sie musikalisch „auf dem Kasten haben“. Wagners Klavierspiel ist souverän, und selbst Zeitners von Wagner schwer gestörte „Leiermann“-Interpretation lässt seine geschulte und wohlklingende Stimme erkennen. Ihr wesentlicher Aktivposten in diesem Programm ist allerdings die Komik, die dann am besten ist, wenn sie musikalische Themen mit einbezieht oder die Musik selbst in der einen oder anderen Form aufs Korn nimmt. Dagegen sind die reinen Sprech-Sketche eher Durchschnittskomik. Die beiden sollten an ihrem Programm weiterfeilen und darauf achten, dass sie die Komik aus der Musik und ihren Reibungsflächen zur Gesellschaft und zu der Welt des Alltags ableiten. Wilhelm Buschs Spruch „Musik wird störend oft empfunden, dieweil sie mit Geräusch verbunden“ könnte hier als Leitschnur dienen. Doch warten wir ab, was der 3. Satz des Programms – „Scherzo Spirituoso“ – bringen wird.
Das Publikum war begeistert, obwohl Zeitner es aus seiner Sicht des selbstgefälligen Künstlers des Öfteren abwatschte, und nahm das zu Recht als Teil des humoristischen Programms hin.
Frank Raudszus
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