Eine Zeitreise in die Swingära des Jazz
In der Reihe „Konzert & Brunch“ des Rheingau Musik Festivals gastiert Alexander Stewart mit seiner Band in Schloss Reinhartshausen
Ein logischer Widerspruch dieser Jazz-Matinee am Sonntag Vormittag soll nicht unerwähnt bleiben: zu Beginn des Konzerts sang Alexander Stewart den Standard „There´s no moon at all“, nur um dann bei der zweiten Zugabe zu fordern „Fly me to the moon“! Wie das zusammenpasst, bleibt sein Geheimnis….
Zwischen diesen beiden widersprüchlichen Titeln präsentierten Alexander Stewart und seine Gruppe jedoch ein abwechslungsreiches, mal swingendes, mal lyrisches Programm aus Jazz- und Pop-Standards vor allem aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Alexander Stewart gibt der Band Titel und Stimme – im wahrsten SInne des Wortes. Kein Stück kommt ohne seinen Gesang daher, und dennoch ist es keine Ein-Mann-Show. Das noch junge Team baut die Musik um den Sänger Alexander Stewart herum auf, der mal an den jungen Frank Sinatra, mal auch an Dean Martin oder Nat King Cole erinnert. Die „coolen“ Jazz-Sänger des letzten Jahrhunderts sind seine Vorbilder, wobei der Begriff „Jazz“ durchaus weit gefasst ist. Auch gute Pop-Klassiker gehören in sein Programm, und neben den rauhen Songs singt er auch gerne lyrische, emotional gebrochene Lieder.
Doch was immer er singt, die Band verleiht dem jeweiligen Stück einen mehr oder minder deutlichen Jazz-Appeal. Dafür ist in erster Linie Rob Barron am Klavier verantwortlich, der sein Instrument perfekt beherrscht und jedes Stück improvisatorisch erweitert. Das gilt nicht nur für die Gesangsbegleitung, die sich nicht auf reine Akkord-Untermalung beschränkt, sondern sich mit markanter Phrasierung als eigenständige Stimme neben dem Sänger etabliert. Vor allem in den Klaviersoli, die bei keinem Stück fehlen dürfen, blüht Rob Barron förmlich auf. Er ist dem Augenschain nach auch der älteste Musiker der Gruppe, obwohl auch er die Dreißig kaum oder erst seit kruzem überschritten haben dürfte. Die Rhythmusgruppe der Band ist mit zwei jungen Leuten besetzt. Rob Anstey spielt mit Inbrunst den Bass, und Andy Chapman verleiht dem Ganzen mit dem Schlagzeug den richtigen „Beat“. Ihre Soloeinsätze sind noch rar, aber man darf annehmen, dass diese beiden jungen Musiker sich im Laufe des weiteren Erfolgs der Band noch deutlich weiterentwickeln werden.
Das Programm bedient sich im Repertoire der Jazz- und Pop-Standards der großen Zeit des gesungenen Jazz, als ausgefeilte Texte den Songs eine Aussage verlieh, die dann musikalisch passend gedeutet wurde. Heutige Jazz-Puristen mögen und werden ein solches Repertoire vielleicht als rückständig oder gar hausbacken belächeln, doch bei entsprechender musikalischer Interpretation entwickeln diese Stücke immer noch ein eigenes, markantes Flair, das nicht nur Nostalgie sondern ebenso zeitlose Emotionen ausstrahlt. Und das können diese vier jungen Musiker wirklich. Mit viel Herzblut, musikalischem Können und Begeisterung sind sie bei der Sache und entlocken den alten Standards völlig neue Seiten, auch wenn sie dabei Elemente des Swings oder anderer bekannter Richtungen verwenden. Wie das Publikum diese Musik aufnahm, konnte man deutlich an den wippenden Fußspitzen ablesen, vor allem bei den Männern.
Frank Sinatras „You are just marvellous“ war einer der ersten Songs im Programm, gefolgt von dem erwähnten „There´s no moon at all“, einst gesungen von Nat King Cole. Dann folgte „You don´t know me“, ein bekanntes Stück des blinden Sängers Ray Charles. Mit Paul Simons „Fifty Ways to leave a Lover“ kam dann ein Pop-Klassiker zu Gehör, den Alexander Stewart mit lyrischem Fingerspitzengefühl interpretierte. Dann folgte wieder ein Evergreen von Frank Sinatra: „One for my Baby“, wobei Stewart nicht Sinatra kopierte sondern dem Song ein eigenes Flair verlieh. Weiter ging es im Minutentakt mit Stücken von Dionne Warwick und Dusty Sprinfield („A House is not a Home“), Frank Sinatra („All or nothing at all“) und Stevie Wonder. Nach einem weiteren Song dieser Kategorie erinnerte Alexander Stewart dann an eine ehemalige Band aus Liverpool – heute vergessen -, deren Lied „Baby you can drive my car“ er mit Inbrunst und viel Expressivität intonierte. Zu diesem Song durften dann außer Rob Barron am Flügel auch Rob Anstey auf dem Bass und Andy Chapman am Schlagzeug längere Soli spielen. Das war sozusagen die Hommage an die Beatles.
Natürlich hatte die Band auch Zugaben vorbereitet. Die erste kam bereits nach kurzem, wenn auch kräftigem Applaus. Wieder einmal mit „Angel Eyes“ ein typischer Sinatra-Song, den Alexander Stewart auch mit der eigenen Melancholie dieses Lebeman-Sängers präsentierte. Da anschließend der Beifall jedoch hartnäckig anhielt, improvisierte das Quartett nach längerem Geflüster noch eine zweite Zugabe, eben das bereits erwähnte „Fly me to the Moon“, das übrigens auch Frank Sinatra zum Erfolg gesungen hat.
Frank Raudszus
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