Der Berliner „Friedrichstadt-Palast“ begeistert das Publikum mit „SHOW ME“

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Die Wiederkehr einer untergegangenen Epoche  

Der Berliner „Friedrichstadt-Palast“ begeistert das Publikum mit „SHOW ME“
Ensemble mit Komiker im Scharz-Weiß-LookWer das helle und aufwändige Jugendstil-Dekor – tatsächlich wurde das Haus 1984 fertiggestellt – des Foyers hinter sich lässt und den nahezu zweitausend Besucher fassenden Zuschauerraum des Friedrichstadt-Palasts betritt, schaut auf eine überdimensionale Bühnenleinwand, die eine Idylle aus Wasser und Wald zeigt. Erst nach genauerem Hinsehen erkennt man, dass es sich dabei nicht um einen Film oder gar nur ein Foto handelt, sondern um eine vom Computer generierte Landschaft, über der außer Wolken auch Vogelschwärme vorbeiziehen, die sich naturgetreu im Wasser spiegeln. Wenn das Programm dann beginnt,schwenkt die Kamera auf die Wasseroberfläche, auf der ein einsames Ruderboot seine Kreise zieht. Dann zieht der Ruderer die Riemen ein und springt ins Wasser. Nachdem sich die Wellen um die Eintauchstelle gelegt haben, sieht man den Schwimmer in der Tiefe verschwinden, und die Kamera folgt ihm.

Das nächste Bühnenbild zeigt – durch einen abschwächenden Gaze-Vorhang – die Unterwasser-Szenerie, in der aus dem dunklen Hintergrund eine Tanztruppe aus uralten Zeiten zu kommen scheint: mit langsamen Bewegungen, wie sie unter Wasser üblich sind, aber in disziplinierter Formation. Dazu schillert das Sonnenlicht von oben durch die Wellen der Wasseroberfläche, perfekt vom Computer animiert. Die untergegangene Epoche der großen Tanz-Revues ersteht wieder auf – so die Botschaft dieser Show.

Modenschau ganz in WeißLange bleibt es nicht bei den gebremsten Unterwasserbewegungen. In der nächsten Szene ändert sich das Bild, die Umgebung wird farbig, die Musik rockig. Auf den zahllosen Videowänden an der Bühnenrückwand sowie links und rechts im Zuschauerraum laufen farbige Animationen im Rhythmus der Musik ab. Dazu erscheinen die Tänzerinnen und Tänzer mit deutlichen Reminiszenzen an die große Zeit der Tanzrevues vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Mädchen tragen durchweg blonde Perücken mit Dauerwellen, und die Kostüme sind überwiegend in einem nostalgischen Grau-Schwarz gehalten, das an die Zeit des Schwarzweiß-Films erinnert.
Dazu erklingen die Lieder zu dieser Show, gesungen von Oscar Loya, Talita Angwarmasse, Amber Schoop und Gina Marie Hudson, die der Show den gesanglichen „Kick“ verleihen.

Doch auch diese Schwarzweiß-Erinnerung wild bald abgelöst durch drei ganz in Gelb auftretende Tanzpaare, die jetzt für die akrobatische Seite des modernen Tanzes sorgen und die von den Solisten vorgetragenen Songs mit Körpersprache interpretieren. Parallel dazu sorgen der Komiker Mauricio Franco mit Staunen und Schüchternheit frei nach Charly Chaplin sowie der Seifenblasenkünstler Jano Fang für die humoristische und – ja! – märchenhaft-kindliche Seite dieser Show.

Die Shenyang-Truppe hoch über der BühneDie erste große Akrobatiknummer liefern die vier Frauen und vier Männer der „Acrobatic Troupe Shenyang“ mit einem so ästhetischen wie anspruchsvollen Programm mit Tüchern, an denen sie in verschiedenen Konstellationen über dem Bühnenboden kreisen und dabei artistische Figuren beschreiben. Die märchenhafte Unterwasserwelt kommt wieder zum Vorschein, wenn in „Free Floating“ die Tänzerinnen hinter dem Gazevorhang entweder als Quallen in bauschigen, transparenten Röcken oder als Fische durch den Bühnenraum schweben, an kaum erkennbaren Seilen in der Luft gehalten. Dann tanzt die farbenfrohe Truppe zum fetzigen „Light my Fire“ auf Stühlen und um diese herum, vollführt die Artistin Marion, angehimmelt und umschärmt von Tänzern, ihre Kunststücke an der Stange in „High Heels“ zu der Musiknummer „Whatta Man“.

Ohne Unterbrechnung geht es mit einem federleichten Schaumbad, dessen watteweichen Fetzen durch die Luft stieben, und mit Weltraumrittern, die mit kaum sichtbaren Inline-Skatern unter den Füßen und mit in wechselnden Farben leuchtenden Kostümen die Bühne beleben, tänzerisch und gesanglich mit viel Temperament weiter bis zur Pause.

Zur zweiten Hälfte gleiten vier goldenen Harfen mit blonden Tänzerinnen als Galionsfiguren auf die Bühne; dazu treten andere Tänzerinnen mit weißen Fantasiekleidern und hohem Kopfschmuck wie zu einer Modenschau auf. Dann tritt wieder das Wasser in Aktion. Nach einem ausgedehnten Wasserballett à la Esther Williams in einem abgesenkten Kreisrund der Bühne stürzt plötzlich eine zwanzig Meter hohe Wassersäule aus dem Bühnenhimmel in eben diese Absenkung hinein, aus der sich langsam eine Gruppe tanzender Männer rings um die Wassersäule erhebt, während in der Achse der Wassersäule eine Frau am Trapez hinabschwebt. Das Ganze zeigt gleichermaßen die Kraft des Wassers wie auch seine verzaubernde Seite. Den Schluss der Wasserspiele bildet eine Bodennummer einer Tänzergruppe mitten im nun fußflachen Wasser.

Doch auch die Hochleistungsakrobatik kommt noch einmal zu ihrem Recht. Das Duo Aragon mit Marie-José Adrover und Robert Bouchez zeigen eine atemberaubende Akrobatik-Nummer am Fangstuhl hoch über dem Bühnenboden ohne Netz und Fangseil, dass dem Publikum das ein oder andere Mal buchstäblich die Luft wegbleibt.

Diesen Nervenkitzel kann man nur mit Humor kontern. So präsentiert das Damenballett einen „Striptease“, allerdings im Stil der „Black Box“: auf der abgedunkelten Bühne leuchten an den ganz in schwarze Ganzkörperbodys gekleideten Tänzerinnen nur die üblichen, in leuchtendem Rot gehaltenen Kleidungsaccessoires von Striptease-Tänzerinnen. Nach und nach entschweben die Kleidungsstücke, bis die Bühne schwarz zurückbleibt. Der Rest geschieht in den Köpfen der Zuschauer und weckt natürlich Lachen. Damit jedoch nicht genug, erscheint zum vorläufigen Abschluss die gesamte, 32köpfige Truppe der Tänzerinnen in roten Bikinis und legt einen Formationstanz hin, der an weiblicher Ästhetik nicht zu überbieten ist. Hier bietet sich – ganz ohne Hintergedanken – ein ästhetisches Vergnügen erster Güte.

Das eigentliche Ende dieser beeindruckenden Show beinhaltet dann noch einige Tanznummern sowie Gesangseinlagen und gibt noch einmal allen Sängern und Tänzern Gelegenheit zu einem Auftritt.

Das Programm „SHOW ME“ überzeugt durch seine Ausgewogenheit und gelungene Kombination aus Tanz, Gesang und Akrobatik, wobei der Schwerpunkt nicht auf dem Expressiv-Dramatischen liegt sondern auf der märchenhaften, ja fast verzaubernden Wirkung der einzelnen Programmpunkte. Es wirkt nie angestrengt, aber auch keinen Augenblick langweilig. Dazu sind die Kostüme zu farbig und originell, die Artisten zu waghalsig und die Tänzer und Tänzerinnen zu schmissig, bewegungsfreudig und – ja, auch! – erotisch.

Wer auch nur ein wenig übrig hat für Show und Glamour, sollte eine Berlinreise unbedingt mit dem Besuch von „SHOW ME“ verbinden.

Frank Raudszus

Weitere Informationen hier.

Alle Fotos © Robert Grischek
 

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