Das Frankfurter Städelmuseum stellt Raffaels Porträt „Julius II.“ im Kontext ähnlicher Werke vor

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Die Kriminalistik der Kunst

Das Frankfurter Städelmuseum stellt Raffaels Porträt „Julius II.“ im Kontext ähnlicher Werke vor

Das Julius-Portrait von Raffael
                    aus dem Bestand des Städelmuseums
Im Jahr 1511 malte Raffael – bürgerlich Raffaelo Santi (1483-1520) – den Papst Julius II. als Dreiviertel-Portrait, auf dem der Gemalte schräg nach rechts aus dem Bild herausschaut. Dieses Bild ist wegen seiner gestalterischen Strenge zu einer „Ikone“ der Papstportraits geworden und hat bereits zu Lebzeiten Raffaels zu Nachahmungen und sogar Fäschungen geführt. Raffael und seine Werkstatt selbst haben dieses Portrait verschiedentlich kopiert, vorwiegend im Auftrag des Papstes, der die Bilder an Würdenträger und Nahestehende verschenkte.

Die Unterzeichnung der Kopfpartie
Vor drei Jahren erwarb das Städelmuseum eines dieser Portraits, und daraus entwickelte sich eine Diskussion darüber, ob dieses Bild das ursprüngliche Original, eine von Raffael angefertigte Kopie oder gar – nur! – ein Bild seiner Werkstatt sei. Ein weitgehend gleiches Bild Raffaels hängt in den Florenzer Uffizien, ein weiteres in der Londoner National Gallery. Auch andere bekannte Künstler haben sich bei Raffael bedient. So hat Tizian etwa dreißig Jahre später eine Version dieses Portraits geschaffen, die man heute mit dem Begriff „Plagiat“ belegen würde. Bis auf kleine Änderungen in der Positionierung der Figur – mit allerdings großer Wirkung – fertigte er eine Kopie des Raffael-Portraits an. Es ähnelt diesem so sehr, dass man es bis weit ins 19. Jahrhundert für das eigentliche Original Raffaels hielt.
Auch dem Städel ließ diese Diskussion keine Ruhe, und so startete man im Zuge einer Restauration des Bildes ein groß angelegtes Analyseprojekt. Der für die Restauration verantwortliche Stephan Knobloch berichtete in der Pressekonferenz über die Vorgehensweise und die Schwierigkeiten bei der Restauration eines Bildes. Vorab wird es verschiedenen nicht-invasiven Tests unterzogen, unter anderem einer Infrarot- und einer Röntgen-Aufnahme. Damit lassen sich tiefere Ebenen darstellen und analysieren. Die Infrarot-Technik bringt vor allem die sogenannte „Unterzeichnung“ ans Tageslicht, das heißt, die Zeichnung, die dem Gemälde als gestalterische Leitlinie zugrunde liegt. In einer Reihe von Fotos zeigte Knobloch detailliert die Übermalungen und Schäden, die ein solches Bild im Laufe der Jahrhunderte erfährt.
Im Anschluss daran ging Professor Meyer zur Capellen aus Münster, ein weithin anerkannter Raffael-Experte, auf die Diskussion über die verschiedenen Julius-Portraits ein. Dabei stützte er sich ebenfalls auf eingehende Untesuchungen der einzelnen Bilder, aber auch auf seine eigene Erfahrungen. Aufgrund der Unterzeichnungen hält er das Potrait in London für das ursprüngliche Original, präsentierte diese Sicht jedoch im Wesentlichen verbal und ohne Belege. Da er aber kurzfristig als Raffael-Experte und nicht als Analyst der einzelnen Bilder geladen war, erwartete auch niemand von ihm eine hieb- und stichfeste Beweiskette.

... und die der linken HandDie brachte dann Professor Sander vom Städelmuseum. Im Zuge der Restaurierung hat er eine genaue Analyse des Bildes und seiner Entstehungsgeschichte durchgeführt, soweit diese mit den heutigen Techniken möglich ist. Er kommt zu dem Schluss, wieder weitgehend auf der Basis der Unterzeichnungen, dass Raffael die wesentlichen Teile des Portraits – so das Gesicht des Papstes – selbst unterzeichnet hat, den Rest jedoch seinen Werkstattmitarbeitern überließ. Das glaubt Prof. Sander aus der Unterschiedlichkeit der Strichführung schließen zu können. Tatsächlich ist die Unterzeichnung der Hände und der Stuhlpfosten offensichtlich von geringerer Qualität als die des Gesichts. Saner schließt daraus weiterhin, dass Raffael für so wichtige Kunden wie den Papst,der als schwieriger Verhalndlungspartner galt, die zentralen Partien des Bildes selbst vorfertigte, um die Ähnlichkeit mit dem Portraitierten und vor allem mit dem Originalbildung sicherzustellen. Damit behauptet auch Professor Sander nicht, dass das Bild des Städels das eigentliche Original sei, aber in der Genealogie und der Entstehungsweise diesem sehr nahe stehe.
Die Ausstellung enthält neben dem beiden Raffael-Portraits aus den Uffizien und dem Städel noch das von Tizian. Das Londoner Portrait konnte aus konservatorischen Gründen leider nicht ausgeliehen werden und wird deswegen in Gestalt einer Kopie gezeigt. Daneben zeigt die Kabinettausstellung noch verschiedene technische Aufnahmen aus dem Restaurierungsprozess, die zum Beispiel die Unterzeichnungen sehr schön zum Ausdruck bringen.
Diese Ausstellung vermittelt einen detaillierten Eindruck von den nahezu kriminalistischen Methoden, mit denen heute Herkunft und Lebensgeschichte historischer Gemälde untersucht werden. Vielleicht verirrt sich die diese Darstellung ja auch einmal in eine „Tatort“-Folge, um diese Untersuchungsmethoden auch einem breiten Publikum vor Augen zu führen…
Frank Raudszus

 

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