Ein etwas überfrachteter Kriminalroman
Merle Kröger schreibt Kriminalromane, die nicht vor Gewalt strotzen oder die Denkweise extremer Psychopathen zum Inhalt haben. Sie suhlt sich nicht in Gewaltexzessen sondern schreibt über Menschen und ihre alltäglichen Probleme, die oft krass genug sind, um darüber zu staunen. Sie schildert die Erlebnisse der handelnden Personen so lebensnah, dass wir uns als Leser gut mit diesen identifizieren können und neben einem spannenden Leseerlebnis auch noch einen Blick über den eigenen, wohlsituierten Tellerrand gewinnen.
Mattie Junghans reist mit einem Wanderkino durch Norddeutschland und verdient damit ihren Lebensunterhalt. Im „Strandläufer“, einem Lokal auf der Ostsee-Insel Fehmarn, ist eine Woodstock-Revivalparty geplant. Matties Leinwand ist schon aufgebaut, als irgendein Chaot einen Brandsatz wirft und alles abfackelt. So schnell ist eine bescheidene Existenz vernichtet. Mattie hat außerdem ihren Freund Nick verloren, der sich sexuell anders orientiert hat, und muss sich einige Wochen lang um ihre depressive und sehr eigenwillige Mutter kümmern.
Nick ist nach Indien gereist und trifft sich dort mit seinem neuen Lebenspartner Cal, der als Schauspieler in „Bollywood“-Filmen agiert. Eine weitere Protagonistin ist Jasmin Assadi, die für die Politikerin Frederike von Westenhagen den weiblichen Leibwächter gibt. Sie ist verheiratet mit Johannes, der Selbsterfahrungskurse gibt. Er hat sein Studium geschmissen und sich im indischen Poona von einem Guru zu einem anderen Leben inspirieren lassen. Seitdem arbeitet er als Therapeut.
Darüber hinaus geht es noch um einen Bundeswehrstützpunkt an der Ostsee, um einen Bollywood-Film, der in Deutschland gedreht wird, und um eine männliche Wasserleiche, die für gehörige Unruhe sorgt. Der Leser hat Mühe, die vielen verschiedenen Handlungsstränge und Personen einzuordnen. Man weiß lange nicht, worum es eigentlich geht, aber irgendwie verbinden sich die vielen Fäden zu einem Geflecht, und aus dem Roman lässt sich schließlich eine schlüssige Geschichte herauslesen, die sich kritisch mit den verschiedensten menschlichen Eigenarten auseinandersetzt. Besonders der verständnisvolle Therapeut Johannes entpuppt sich als mieser Charakter. Weitere Themen sind Politik, Indien und schließlich noch der Irak-Krieg.
Vielleicht hätte eine etwas abgespeckte Themenauswahl dem Roman gut getan. Den Anspruch eines Jahrhundertromans erfüllt das Buch jedenfalls nicht, auch wenn es recht spannend zu lesen ist.
Das Buch „Kyai!“ ist im Argument-Verlag in der Ariadne-Reihe unter der ISBN 978-3-88619-896-03 erschienen, umfasst 372 Seiten und kostet 9,90 .
Frank Raudszus
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