Alan Gurney: „Der Kompass“

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Die Geschichte des wichtigsten Navigationsinstruments

Die alten Griechen richteten sich bei der Seefahrt – außer nach Landmarken – nach den Sternen. Bei bedecktem Himmel stand ihnen lediglich die Windrichtung als Orientierung zur Verfügung. Die in den einzelnen Jahreszeiten stetigen Winde aus bestimmten Richtungen halfen ihnen dabei, doch wenn der Wind unerwartet drehte, fehlte die letzte Orientierungshilfe. Homers „Odyssee“ schildert drastisch, was dann geschah. Schon früh entwickelten die Griechen daher eine sogenannte „Windrose“, in der die einzelnen Windrichtungen namentlich benannt wurden, so der Zephyros (West) oder der Boreas(Nord). Die Römer übernahmen diese Windrose, gaben jedoch den Winden Namen wie Tramontana oder Sirocco, um nur die bekanntesten zu nennen.

Da untypische Winde und wolkenbedeckter Himmel gerade bei schlechtem Wetter auftreten, suchte man schon früh händeringend nach anderen Möglichkeiten, den Kurs eines Schiffes zu überprüfen. Die Seefahrt hatte sich aus guten Gründen vor allem in der Ägäis stark entwickelt, weil dort Hunderte von Inseln immer wieder die Orientierung ermöglichten (aber auch die Gefahr des Strandens beinhalteten). Wollte man jedoch größere Strecken über freies Meer segeln, etwa nach Nordafrika, so brauchte man entweder die Gestirne oder andere Navigationshilfen.

Da kam die Entdeckung des Erdmagnetismus´ gerade recht, wenn auch um die erste Jahrtausendwende ziemlich spät. Zwar hatten schon die alten Chinesen damit experimentiert, doch dieses Wissen war verloren gegangen. Als man jedoch festgestellt hatte, dass magnetisierte Metallstäbe stets nahezu genau nach Norden zeigten, ließ die Anwendung in der Seefahrt nicht mehr lange auf sich warten. Nun meinte man, stets zu wissen, in welche Rchtung man segelte, da ja die Kompassnadel stets nach Norden zeigte.

Alan Gurney beschreibt die Entwicklung des Kompasses über einen Zeitraum von sieben Jahrhunderten, vor allem die vielen Irrtümer, Enttäuschungen und optimistischen Annahmen, die sich nicht immer erfüllten und zu oft Schiffe in den Untergang führten. Dabei konzentriert er sich als Engländer weitgehend auf die englische Seefahrtsgeschichte der letzten vierhundert Jahre, wohl, weil er dort das meiste Material vorfand. Da England seit dem Sieg über die spanische Armada im Jahr 1588 die führende Seemacht war, spielt diese Beschränkung auf die britische Pespektive keine wesentliche Rolle.

Gurney verpackt die Geschichte der Kompassentwicklung in eine Reihe von Geschichten um die Protagonisten dieser Technologie, die – natürlich – vor allem aus England kamen. Er berichtet von der überraschenden Erkenntnis, dass auch an Bord hölzerner Segelschiffe viel Eisen verbaut wurde und über die Unterschätzung von dessen Wirkung. Teils war die Nutzung eisernen Teile gegen die Bauvorschriften erfolgt, teils deren Einbauart, so dass so manches Schiff bei Nacht und schwerer See dank vollen Vertrauens in den Kompass mit Mann und Maus unterging. Die Deviation („Abweichung“) der Kompassnadel von der Nordrichtung konnte im Einzelfall zehn bis zwanzig Grad ausmachen, was besonders bei der Einfahrt in den Ärmelkanal – ein sowieso schwieriges und stets unruhiges Gewässer – von Westen her fatale Folgen haben konnte. Doch auch die enge und oft recht stürmische Irische See hat dank falscher Kompassanzeigen so manchen Totalverlust eingefordert.

Dass der magnetische Nordpol nicht identisch mit dem geographischen ist, fand man bald heraus, doch dass sich die Lage des magnetischen Nordpols laufend änderte, merkte man erst, nachdem einige Schiffe aufgrund der irrigen Annahme einer stabilen Missweisung in Schwierigkeiten geraten oder untergegangen waren. Erst langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass man diese Missweisung permanent messen und auf den Seekarten aktualisieren musste. Das Gleiche gilt für die Deviation aufgrund der Eisenbestandteile im Schiff, die letztlich zu komplizierten Kompensationsverfahren führte.

Gurney lässt die Männer, die in der Erforschung und Weiterentwicklung dieser Technologie führend waren, nicht nur als Erfinder und Entwickler sondern auch als Menschen wieder lebendig werden. Dabei verschweigt er auch nicht, dass sich darunter auch knallharte Geschäftsleute befanden, die mit der Sicherheit des Schiffsverkehrs auf nicht immer lupenreine Weise hohe Gewinne erwirtschafteten. Dazu gehörten natürlich auch erbitterte Konkurrenzkämpfe und kräftiger Lobbyismus. Die „Royal Navy“ als eine wichtige Institution für die Weiterentwicklung von Seefahrt und Navigation spielt dabei eine nicht immer rühmliche Rolle, zeichnete sie sich doch über lange Strecken durch Starrsinn, Überheblichkeit, Abneigung gegen alles Neue und sogar Schlendrian aus. So manches Marineschiff hätte durch sorgfältige Anwendung der bekannten Technologien überleben können, was allerdings auch für viele Handelsschiff gilt.

Dass mit dem zunehmenden Bau von eisernen Dampfschiffen die bis dahin bekannten Probleme sich noch verschärften, versteht sich von selbst. Unglücklicherweise befand sich gerade zu dieser Zeit – dem viktorianischen Zeitalter des 19. Jahrhunderts – die Navy und damit ihre Überheblichkeit auf dem Höhepunkt.

Zum Ende des Buches geht Gurney auch noch auf den Kreiselkompass ein, der Anfang des 20. Jahrhunderts die typischen Probleme magnetischer Kompasse mit einem Schlage löste, dafür jedoch einige neue einführte. Doch die Liebe des Autors gilt – zumindest in diesem Buch – dem guten alten Magnetkompass, dessen Geschichte hier noch einmal in vielen Details zum Leben erweckt wird.

Ärgerlich an diesem Buch sind nur die vielen Schreibfehler, die zum Teil wegen ihrer Deutlichkeit unmittelbar ins Auge springen. Hier ist auf jeden fall ein Ansatzpunkt für eine eventuelle zweite Auflage.

Das Buch „Der Kompass“ ist im Verlag Delius Klasing unter der ISBN 978-3-7688-2622-8 erschienen, umfasst 303 Seiten und kostet 25,99 €.

Frank Raudszus

 

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