Behzad Karim Khani: „Als wir Schwäne waren“

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Der zehnjährige Reza ist mit seinen Eltern vor einem Jahr aus dem Iran geflohen und lebt seitdem in Bochum in der „Siedlung“, einer tristen Wohngegend mit vielen Migranten. Eines Abends klingelt es an der Tür, und drei Jugendliche bitten um persisches Essen, wofür sie Rezas Mutter eine D-Mark als Entlohnung anbieten.

Die Perser sind nicht so direkt wie viele Deutsche und würden eine solche Bitte nie abschlagen. Also lässt die Mutter die von Reza als „Straßenköter“ bezeichneten Jungs eintreten und versorgt sie mit Essen. Die drei sind verwahrloste Kleinkriminelle, und die hingehaltene D-Mark ist angesichts der traditionellen persischen Gastfreundschaft eine grobe Beleidigung.

Das spätabendliche Klingeln wiederholt sich jetzt täglich. Doch als Reza die drei Jungs in der Schule wiedersieht, tun sie so, als sei er nicht vorhanden. Statt eines Dankeschöns nur pure Arroganz. Und schon bald kommen noch mehr Kinder bei der Mutter vorbei, um verköstigt zu werden. Als dann ein Junge die Mutter eines Tages auf der Straße fragt, was es denn heute zu essen gebe, weiß Reza, was er zu tun hat. Am nächsten Tag lauert er besagtem Jungen auf und schlägt ihn in einer Gewaltorgie zusammen.

Danach ist er „King“. Er schließt sich einer Gruppe von Jungs an und lernt, im migrantischen Milieu zu überleben; verkauft Drogen, übt Gewalt aus, ist bewaffnet. Er passt sich seinem Stadtteil an, in dem Gewalt, Kriminalität und Armut herrschen, bis er schließlich wegen Drogendelikten und Körperverletzung verhaftet wird. Er hat jedoch Glück und wird auf Bewährung freigelassen.

Für Reza stellt sich nun die Frage, ob er einer der schönen Schwäne ist, die in eine bessere Welt aufbrechen wollten, oder ob er symbolisch als dicker Schwan in einem Bochumer Teich endet und sich dort durchfüttern lässt. Versinkt er im kriminellen Milieu oder findet er für sich höhere Lebensziele?

Behzad Karim Khani ist ein sehr genauer Beobachter sowohl der deutschen Gesellschaft als auch des harten Lebens der Kleinkriminellen. Sein Fazit – und das zu lesen ist bitter – läuft darauf hinaus, dass er sich ein riesengroßes Loch wünscht, in dem Deutschland untergeht. Offensichtlich findet er in der übersättigten deutschen Gesellschaft nichts Erstrebenswertes für sich. Eine neue Heimat wird er hier nicht finden.

Es ist eine Abrechnung mit Deutschlands Asylpolitik, die es nicht schafft, den zugereisten Menschen ihren Stolz zu lassen und sie erfolgreich in die Gesellschaft zu integrieren. Der Aufbau des Romans ist geprägt von sehr kurzen Kapiteln, die den Lesern oft knallhart mit einer Realität konfrontieren, die vor allem deutschen Lesern schwer zu schaffen macht. Die Kritik des Autors ist harsch und bisweilen gnadenlos.

Das Buch ist im Hanser-Verlag erschienen, umfasst 188 Seiten und kostet 22 Euro.

Barbara Raudszus

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