Gaea Schoeters: „Trophäe“

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Hunter White ist reich und liebt die Großwildjagd. In seiner Trophäensammlung fehlt ihm nur noch das Nashorn. Da Nashörner unter Naturschutz stehen, muss er einen Anbieter finden, der ihm die Jagd auf dieses Tier ermöglicht. Das ist van Heeren, der in Afrika lebt und sich darauf spezialisiert hat, wohlhabenden Jägern aus der ganzen Welt den Abschuss eines der „Big Five“ zu ermöglichen. Van Heeren kennt die richtigen Leute in Afrika und weiß zu bestechen, wo es nötig ist.

Für Hunter ist die Jagd ein männliches Ritual. Es geht stets um Leben und Tod auch für ihn. Aber gerade die Gefahr macht den Reiz des Jagens aus. Den Nashornkopf will er seiner selbstbewussten Frau als Trophäe schenken. Ganz archaisch will er sie von seiner männlichen Stärke überzeugen, und dieses Spannungsverhältnis macht ihre Beziehung zueinander aus.

Hunter weiß seinen Namen beim Erwerb der Jagdlizenz für ein Nashorn geschickt zu verbergen. Er muss sich vor fanatischen Naturschützern hüten, die schnell mit Mord drohen, wenn sie von solchen Jagdaktionen Wind bekommen. Van Heeren behandelt alles sehr diskret, so dass nichts an die Öffentlichkeit dringt.

Soviel zum Einstieg in den Roman. Van Heeren und Hunter machen sich auf den Weg, das Nashorn zu erlegen. Es wurde ein altes Tier ausgewählt, das wahrscheinlich den nächsten Kampf um die Führung der Herde verlieren würde. Die beiden Jäger pirschen durch die Savanne und durch Buschland, lesen Spuren und beobachten aufmerksam die Szenerie ringsherum. Das zehrt an den Kräften. Die Hitze tut ein Übriges, aber das Jagdfieber ist erwacht. Als es endlich zur Begegnung mit dem Nashorn kommt, läuft alles anders als geplant, und die beiden Jäger geraten in Lebensgefahr. Das ist äußerst spannend erzählt, und man kann den Roman nicht mehr weglegen. Die Faszination des Jagens holt den Leser aus seiner Distanz und lässt ihn selbst zum Jäger und Gejagten werden.

Nach dieser Episode springt der Roman in das afrikanische Dorfleben. Auch hier jagt man, aber nicht aus Abenteuerlust, sondern um den Hunger zu stillen. Der Leser lernt zwei junge Männer kennen, die als Initiationsritus ein Tier erlegen müssen. Sie folgen dem Tier lange Zeit und jagen es durch die afrikanische Hitze, bis es vor Erschöpfung zusammenbricht. Dann erlegen sie es gezielt mit zwei vergifteten Speeren. Das erfordert von den beiden jungen Afrikanern enorme Kondition und Durchhaltevermögen. Fast gehen sie dabei selbst drauf.

Dann nimmt der Roman eine verstörende Wendung. Im weiteren Verlauf geht es nicht mehr um die Jagd nach Tieren, sondern Hunters nächste Trophäe wird der junge Schwarze sein. Er ist der mutigste und beste junge Jäger des Stamms. Doch auch für Hunter geht es um alles. Wird er über den Jungen siegen oder selbst besiegt werden?

Aber auch im letzten Teil des Romans läuft nichts wie geplant. Die Beute wird zwar erlegt, aber auch der Jäger wird nicht verschont. Ein kleiner Skorpion in Hunters Stiefel setzt dem furchtlosen Großwildjäger qualvoll zu. Wird er überleben?

Gaea Schoeters Roman „Trophäe“ widmet sich dem Thema Jagd in vielen Facetten, und das macht seine Faszination und Stärke aus. Neben der Jagd geht es um das Sterben und den Tod. Es ist der ewige Kreislauf der Natur, wie er in Afrikas Tierwelt täglich zu beobachten ist. Auch die einheimischen Dorfbewohner haben – wie hier geschildert – Achtung vor dem Leben und dem Tod. Sie jagen, weil sie Hunger haben, und wertschätzen dennoch das Lebewesen. Sie nehmen den Tod als natürlichen Vorgang wahr. Jeder junge Jäger wird damit konfrontiert, dem eigenen Tod ins Auge zu schauen. Um das Überleben der Dorfgemeinschaft zu sichern, können auch Menschenopfer nötig werden, was den – westlichen – Leser befremdet und erschüttert. Das Opfer steht in seiner Bestimmung für das höhere Ziel und sichert den Fortbestand der Gemeinschaft.

Das Kontrastprogramm sind Wilderer, die ohne jegliche Moral Tiere aus Profitgier erlegen. Da zählt nur die Bezahlung. Bei den wohlhabenden Trophäenjägern geht es dagegen um Jagen und Erlegen an sich, also um Lustgewinn. Doch auch hier berührt eine tiefe Wehmut den Jäger – Hunter! – beim Anblick des erlegten Tieres, denn Kraft und Schönheit sind gewichen. Übrig bleibt ein Kadaver.

„Trophäe“ ist ein lesenswerter und abgründiger, aber auch beschämender Roman, den man nicht so ohne weiteres weglegt. Er lässt den Leser nicht los und zwingt ihn zum Nachdenken über moralische Fragen und Verantwortung, ohne selbst moralisierend zu sein.

Das Buch ist im Zsolnay-Verlag erschienen, umfasst 253 Seiten und kostet 24 Euro.

Barbara Raudszus

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