Puppen sehen mit dem Herzen

Print Friendly, PDF & Email

Alle Jahre wieder leitet im Staatstheater Darmstadt die „Weihnachtsoper für die Familie“ die Adventszeit ein. Da haben einmal die Emotionen viel Spielraum auf der Bühne, und man muss nur zusehen, dass derer nicht zu viele werden wie etwa bei Dickens´ „Christmas Carol“.

Das Staatstheater Darmstadt hat dieses Mal Antoine de Saint Exupérys symbolgesättigte Geschichte „Der kleine Prinz“ ausgewählt und als deutsche Erstaufführung der gleichnamigen Oper von Pierangelo Valtinoni auf die Bühne gebracht. Das durchkomponierte Stück besteht dabei weitgehend aus gesungenen Texten, wie es seit Richard Wagner der Brauch ist. Das stellt für Kinder unter zehn Jahren ein gewisses Problem dar, da sie die üblichen Opern-Übertitelungen noch nicht in Echtzeit lesen können, aber dafür können sich die kleinen Zuschauer an dem farbenfrohen und lebendigen Bühnengeschehen erfreuen.

Georg Festl, Kinderchor

Regisseurin Kai Anne Schumacher hat die zentrale Figur des Stücks, den kleinen Prinzen, doppelt besetzt: einerseits in Gestalt der Sängerin Jana Baumeister und andererseits als Puppe, die von zwei Damen in weißen Kostümen körperlich und stimmlich in Szene gesetzt wird. Die Puppenspielerinnen machen das so geschickt, dass einem der kleine Kerl im grünen Dress mit rotem Kragen und weißblondem Wuschelkopf gleich ans Herz wächst. Zur schnelleren Wiedererkennung trägt Jana Baumeister ein sehr ähnliches Kostüm.

Georg Festl ist als Erzähler und notgelandeter Pilot das irdische Konterfei zu dem einsamen Bewohner eines winzigen Planeten draußen im Weltraum, den es plötzlich auf die unwirtliche Erde verschlagen hat, die so gar nicht seiner kindlich-gutgläubigen Weltsicht entspricht. Bühnenbildnerin Camilla Hägebarth hat die beiden in eine sandfarbene Wüste mit grauen Felsbrocken und einer halben Sonne am Horizont versetzt, die sofort Assoziationen von Hitze und Durst wecken. Also sehnt sich der Pilot auch herzzerreißend nach einem Schluck Wasser.

Jana Baumeister, Mia Lehrnickel und Megan Marie Hart

Doch der kleine Prinz muss die Welt erst noch kennenlernen. So stellt er fest, dass die geliebte Rose, ein von Megan Marie Hart dargestelltes Einzelstück und wahres Prachtexemplar auf ihrem eigenen Mini-Planeten, hier in großer Zahl vorhanden ist, was die jugendliche Tanz- und Singgruppe sehr lebendig mit roten und weißen Schirmen zeigt. Dann erscheint die eitle Sängerin (Megan Marie Hart), die ebenfalls alleine auf einem kleinen Planeten lebt und stets Bewunderung braucht, und auch der einsame König (David Pichlmaier) auf einem anderen Klein-Planeten hat kein Volk zum Herrschen und befiehlt daher der Sonne, morgens auf- und abends unterzugehen. Der kugelrunde Geschäftsmann (Marco Mondragón) dagegen zählt nur die Sterne und taxiert ihren Tauschwert.

Doch niemand von all diesen Personen interessiert sich für den einsamen kleinen Prinzen. Erst der Fuchs, ebenfalls als Puppe sehr glaubwürdig nachgestellt, sieht mit seinem Herzen den Menschen in dem kleinen Prinzen und bittet um seine Freundschaft. Die ist natürlich mit einem Außerirdischen nicht dauerhaft möglich, und so schickt die Schlange den kleinen Prinzen mit ihrem Wundergift zurück in seine Heimat.

Jana Baumeister, Kinderchor

Das ist alles einerseits kindgerecht aufbereitet, andererseits schält die Inszenierung auch die metaphorischen Grundfragen der menschlichen Existenz – Einsamkeit, Freundschaft, Ehrlichkeit – heraus und verdeutlicht, dass diese Erzählung eben kein Kinderbuch ist, sondern eine Allegorie auf das menschliche Leben. Doch verzichtet die Regie auf jegliche plakative oder gar platte Verkündung moralischer Grundsätze und lässt stattdessen die verwunderten Fragen des kleinen Außerirdischen im Raume stehen.

Die Musik erinnert ein wenig an das frühe 20. Jahrhundert, etwa einen Richard Strauss, ohne jedoch diesen oder ähnliche Komponisten zu kopieren. Modern aber tonal, melodisch aber nicht operettenhaft, erzählt das Orchester die Geschichte noch einmal aus dem Graben nach und illustriert die Ereignisse auf der Bühne auf eindrückliche musikalische Weise. Johannes Zahn am Dirigentenpult sorgt für einen verhaltenen Klang, um die zarten Szenen auf der Bühne nicht akustisch zu überfrachten, und so entsteht ein ausgewogenes Gesamtbild dieser durchaus nachdenklichen Familienoper.

Das vorweihnachtliche Publikum dankte mit kräftigen Beifall.

Frank Raudszus

No comments yet.

Schreibe einen Kommentar