Carol Rama – originelle Autodidaktin

Print Friendly, PDF & Email

Die Frankfurter Kunsthalle Schirn widmet derzeit einer wenig bekannten Künstlerin des 20. Jahrhunderts ein eigene Ausstellung – Carol Rama. Die Italienerin kam im Jahr 1918 in Turin als Tochter eines Unternehmers der KFZ- und Fahrradbranche zur Welt. bereits als Jugendliche ist sie künstlerisch tätig, bricht jedoch ihr Akademie-Studium früh ab, um autodidaktisch zu arbeiten.

„Figura“, 1947

Diese autodidaktische Unabhängigkeit wirkte sich sowohl auf ihren künstlerischen Lebenslauf als auch auf ihren Werkekatalog aus. Der Verzicht auf akademische Weihen und Netzwerke hatte eine gewisse Ausgrenzung zur Folge – als Außenseiterin und besonders als Frau in dem von Männern dominierten Kunstbetrieb. Unbeirrt folgte sie ihren eigenen Wünschen und Interessen, die durchaus quer zum allgemeinen Kunsttrend lagen. Gerade zu Beginn ihrer „Eine Frau“-Karriere irritierte sie die Öffentlichkeit durch ihre mehr als freizügigen erotischen Bilder. Aus heutiger Sicht sind diese Zeichnungen und Aquarelle in keiner Weise gewagt oder gar obszön, zeigen sie doch oft nur die weibliche – und auch die männliche – Nacktheit stark verfremdet , wenn auch plakativ. Damals jedoch weckte das im katholischen Italien und vor allem im Vatikan moralische Entrüstung und führte zu Verboten ihrer Ausstellungen.

Diese Ausgrenzung führte aber eher zu einer noch konsequenteren künstlerischen Gegenwehr seitens Carol Rama. Zwar fand die erotische Phase dann bald ein natürliches Ende, da die Provokation gelungen war, aber die Neugier der Künstlerin war kaum zu bremsen. In einer weiteren Phase beschäftigte sie sich intensiv mit der Farbe (?) Schwarz, die sie in den verschiedensten Abschattierungen und mit wenigen abstrakten Mustern auflockerte.

„La linea di sete“, 1954

Diese Arbeiten mit der Farbe als geradezu haptischem Material erweiterte sie dann um die dritte Dimension, indem sie andere Materialien in Gestalt von Collagen auf die Bilder aufbrachte. das konnten aufgeschnittene Fahrrad- oder Autoschläuche sein – eine Hommage an den Beruf ihres Vaters? – oder auch Draht- oder Stoffgewebe.

Im Laufe ihres Lebens lernte Carol Rama dann auch als Autodidaktin eine Reihe wichtiger Leute des Kunstbetriebs kennen und pflegte langjährige Freundschaften mit ihnen. Das brachte ihr nicht nur viele neue Ideen für ihre künstlerische Arbeit, sondern auch – und vor allem – die späte Aufmerksamkeit und Anerkennung der Öffentlichkeit. Über siebzig Jahre lang wagte sie immer wieder Ausflüge in neue künstlerische Bereiche und hinterließ nach ihrem Tod im Jahr 2015 eine große Anzahl unterschiedlichster Werke, von denen in der Ausstellung 120 zu sehen sind.

Die Ausstellung ist bis zum 2. Februar 2025 geöffnet. Näheres ist der Webseite der Kunsthalle Schirn zu entnehmen.

Frank Raudszus

No comments yet.

Schreibe einen Kommentar