Arnon Grünberg: „Gnadenfrist“

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Der Diplomat Jean Baptiste Warnke ist mit seinem Leben zufrieden. Seit acht Jahren ist er verheiratet, hat zwei Töchter und ist immer noch verliebt in seine Frau – sowie in seine beiden Mädchen. Er ist der zweite Mann in der niederländischen Botschaft im Lima und wohnt mit der Familie in einer schönen Villa, die seine Frau mit viel Geschmack eingerichtet hat. Inzwischen entwirft sie Röcke und Kleider und arbeitet dabei mit ausgefallenen Stoffen und viel Leder.

Warnke sieht seine Aufgabe als Diplomat darin, Menschen Mut zu machen, so auch seinem minderjährigen Schuhputzer Roberto oder auch den Nonnen, die sich um die Schuhputzer kümmern. Eigentlich ist ihm klar, dass er dafür bezahlt wird, nichts zu tun. Er geht auf Cocktail-Parties, um niederländische Unternehmen bei ihren Aktivitäten zu beraten, allerdings nur theoretisch. da es zu mehr nicht reicht.

Bei Besuchen im Gefängnis wird ihm sehr schnell klargemacht, dass er sich für einsitzende Niederländer nicht zu weit hinauslehnen sollte, und gegen die örtlichen Behörden kommt er sowieso nicht an.

Manchmal telefoniert er mit seiner Mutter, die in einem Altersheim in Arnheim lebt. Sein Vater hat sich vor Jahren vor den Zug geworfen.

In der Stadt Cuzco haben die Niederländer ein Dokumentationszentrum eröffnet, das vom Aussterben bedrohte indigene Sprachen retten soll. Mit einem großen fest wollen sie die Eröffnung dieses kulturellen „Flaggschiffes“ feiern.

Eines Tages bemerkt er, währen der Schuhputzer seine Schuhe pflegt, eine junge Einheimische, die in einem Buch liest und zu ihm herüberblickt. Als er aufsteht, nickt er ihr zu. Die zufälligen Treffen wiederholen sich, und der Kontakt festigt sich etwas, bis er sich in Malena – so ihr Name – verliebt. Nun gerät sein Leben aus den Fugen, und nichts ist mehr so, wie es war….

Arnon Grünberg hat einen spannenden Roman über das Diplomatenleben in Lima geschrieben. Er zeigt aber auch die Grenzen auf, die die Peruaner dem ausländischen Botschaftspersonal setzen. Außerdem haben bestimmte Volksgruppen ihre ganz eigenen Vorstellungen vom Leben, die mit den gutmenschlichen Einstellungen der Europäer nicht ganz kompatibel sind. Das alles liest sich rasant und lehrreich.

Das Buch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 160 Seiten und kostet 14 Euro.

Barbara Raudszus

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