Triona Walsh: „Schneesturm“

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Ein wütender Schneesturm tobt zum Jahresende über der kleinen Insel Inishmore an der irischen Westküste. Schiffe können nicht mehr an- und ablegen, und die wenigen Bewohner werden angehalten, sich in ihren Häusern aufzuhalten, bis der Sturm sich legt.

Ausgerechnet diese unwirtliche Jahreszeit haben sich sechs Freunde ausgesucht, um sich auf Inishmore zu treffen. Zehn lange Jahre haben sie sich nicht mehr gesehen und nehmen das zehnjährige Todesdatum ihres damaligen Freundes Cilian zum Anlass, gemeinsam dieses noch jungen Mannes zu gedenken. Durch einen tragischen Bootsunfall wurden die Brüder Seamus und Cilian auseinander gerissen. Seamus macht es sich noch heute zum Vorwurf, dass er kurz unter Deck war, als eine besonders hohe Welle auf den Fischtrawler niederging und seinen Bruder ins Meer riss, wo er ertrank. Zurück blieb auch Cilians Ehefrau Cara mit zwei kleinen Kindern. Sie ist heute die einzige Polizistin auf Inishmore und muss für Ruhe und Ordnung sorgen sowie Verbrechen aufklären, so sich solche überhaupt ereignen.

Die Freunde sind kaum eingetroffen und voller Vorfreude auf Sylvester mit den Essensvorbereitungen beschäftigt, da erfährt Cara, dass in Serpent´s Lair, einem rechteckigen Felsenbecken unterhalb der Klippen, eine Leiche treibt.

Die Gruppe wird nun genauso stürmisch durcheinander gewirbelt, da Maura, die Grundschullehrerin auf Inishmore und Caras beste Freundin, plötzlich verschwunden ist. Angeblich wollte sie Cara noch ein Päckchen überreichen, und es stellt sich natürlich die Frage, ob ihr Verschwinden damit zu tun hat. Ein drogensüchtiger junger Mann will beobachtet haben, wie eine Person von den Klippen über dem Felsenbecken hinuntergeworfen wurde. Kann man ihm glauben, oder phantasiert er im Drogenrausch? Überhaupt scheinen Drogenkonsum und -handel auch den Freundeskreis zu betreffen…

Triona Walsh hat einen rasanten, vielschichtigen Kriminalroman geschrieben, der den Leser erschauern lässt, und das nicht nur wegen des turbulenten Unwetters auf der Insel. Auch die handelnden Protagonisten werden von inneren Stürmen, seelischen Verletzungen und Eitelkeiten angetrieben, die sie selbst kaum noch steuern können. Die karge, abweisende Landschaft auf Inishmore, vom Felsenbecken Serpent´s Lair bis zum am Klippenrand gelegenen Fort von Dun Aengus unterstreicht die geographische Dramatik der Insel. Hinzu kommen der Aberglaube der Bevölkerung und das Misstrauen gegenüber allen Fremden, das zu der unheimlichen Stimmung beiträgt. Neben dem spannenden Plot werden die Landschaft und das Unwetter zur passenden Kulisse für ein dystopisches Drama menschlicher Beziehungen.

Das Buch ist im Verlag S. Fischer erschienen, umfasst 379 Seiten und kostet 17 Euro.

Barbara Raudszus

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