Der Staat Israel wird kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Die Situation ist insgesamt sehr angespannt, da sich Palästinenser und Israelis gegenseitig nicht trauen. Überall sind bewaffnete Israelis stationiert, auch an der Grenze zu Ägypten. In dem dortigen Camp ist alles sehr spartanisch. Es geht nur darum, arabische Gegner zu beobachten und schlimmstenfalls zu eliminieren. Die Wachsoldaten sind vorwiegend junge Männer, die ihre Patrouillengänge absolvieren und sonst nichts zu tun haben. Keinerlei Ablenkung wird angeboten.
Ihr Kommandant wird eines Nachts in seinem Zelt von einem Insekt gestochen. Zwei kleine Stiche nur, die sich jedoch im Laufe der nächsten Tage zu einer eitrigen Wunde entwickeln und zu erheblichen Nervenschmerzen führen. Dennoch versieht er seinen täglichen Dienst und versucht, seine körperlichen Beschwerden zu ignorieren.
Dann trifft die Truppe auf eine Gruppe von Beduinen mit ihren Kamelen. Sofort werden alle Menschen und Tiere erschossen. Nur ein junges Mädchen mit Hund wird verschont und mit ins Camp genommen. Nach mehreren Vergewaltigungen durch die Soldaten wird das Mädchen schließlich erschossen und in der Negev-Wüste verscharrt, um jegliche Spuren zu verwischen.
Über fünfzig Jahre später, Anfang der 2000er Jahre, deckt eine israelische Journalistin den Fall auf und bringt ihn an die Öffentlichkeit. Diesen Artikel liest eine junge Palästinenserin aus Ramallah. Besonders beeindruckt sie dabei, dass sie selbst genau 25 Jahre nach dem Vorfall geboren wurde. Sie fühlt sich daher der jungen Beduinin sehr verbunden und macht sich auf die Spurensuche. Obwohl seitdem viel Zeit vergangen ist, hofft sie dennoch. Einzelheiten der Tat herauszufinden und der jungen Unbekannten damit noch einen Namen und eine Erinnerung zu geben.
Da sie selber hoch traumatisiert ist, gestaltet sich die Spurensuche nicht einfach. Ständig leidet sie unter Panikattacken und Ohnmachtsanfällen und zittert bei jedem Checkpoint um ihr Leben. Mehrfach möchte sie einfach umkehren, aber irgendetwas treibt sie weiter voran.
Adania Shiblis Roman verknüpft zwei Kurzgeschichten zu einem Ganzen. Beide Plots sind atmosphärisch dicht beschrieben und geben Zeugnis von der angespannten Situation in Israel und Palestina. Shibli schildert aber auch eindringlich, wie dieser Zustand die Menschen in ihrem Innersten verunsichert – ja: traumatisiert. Ein lesenswerter Roman, der mehr erzählt als Zeitungsartikel und Fernsehsendungen.
Das Buch ist im Berenberg-Verlag erschienen, umfasst 117 Seiten und kostet 22 Euro.
Barbara Raudszus
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