Es gehört in heutigen Zeiten schon etwas Mut dazu, an einem „Staatstheater“ eine Operette wie „Im weißen Rössl“ ohne jegliche gesellschaftspolitische Hintergedanken zu inszenieren, eben gerade als das, was es darstellen sollte: leichte Unterhaltung. Noch vor vierzehn Jahren versuchte sich das Staatstheater Wiesbaden daran mit halbherziger ironischer Distanz und fragwürdigem Ergebnis, jetzt aber hat der junge Philipp Moschitz von vornherein auf eine Politisierung oder gar Skandalisierung dieses schlichten Singspiels verzichtet und inszeniert Ralph Benatzkys Erfolgsstück der frühen dreißiger Jahre als heitere Revue mit viel Situationskomik und farbigen Effekten aller Art.
Das ist nur konsequent, denn schließlich nimmt heute ein Staatstheater ein solches Stück nur aus einem Grund ins Programm: um das Haus mit einem sonst nicht unbedingt theateraffinen Publikum zu füllen. Man kann das auch höflich ummänteln mit der Argumentation, das Theater sei für alle da, nur passt das dann nicht so ganz zu dem oftmals durchaus radikalen Ansatz vor allem im Schauspiel, aber auch im Musiktheater. Doch sei´s drum: stellen wir uns auf den Standpunkt eines fröhlich leichte Kunst ohne schlechtes Gewissen genießenden Publikums und betrachten aus dieser Perspektive, was uns das Theater zu bieten hat.
Moschitz verabschiedet sich schon einmal mit dem Bühnenbild von der Tradition, das Hotel „Weißes Rössl“ als eben dieses nachzubilden. Stattdessen verlegt er die Handlung in einen Heuschober mit überdimensionierten Balkenkonstruktionen und Heuballen als Möbel. Dabei sollte man sich von vornherein von dem Gedanken lösen, dieser Verfremdung liege eine geheime, gar politische Absicht zugrunde. Es ist offensichtlich reiner Selbstzweck, dessen Witz allein aus dem Kontrast zur Erwartungshaltung besteht, denn die Handlung enthält keinerlei Hinweise auf eine etwa gesellschaftskritische Bedeutung. Auch die Kostüme passen in das bewusst naiv-witzig gestaltete Bild, denn Chefin Josepha kommt im Tiroler Dirndl daher, und Oberkellner Leopold trägt einen zwar farbstarken, jedoch noch innerhalb der gesellschaftlichen Erwartungsbandbreite angesiedelten Kellnerdress. Nur die restliche Belegschaft tritt in geschlechtslosen Knabenkostümen auf, was in gewisser Weise auf die kindliche Schlichtheit der Handlung verweist.
Die Figuren der Handlung folgen großenteils fast passiv einem festen Handlungsschema. Leopold (Tobias Licht) ist unglücklich verliebt in seine Chefin Josepha (Louisa von Spies), die vom Stammgast Dr. Siedler (Julian Culemann) träumt. Der wiederum dient nur als Zündfunke, um den Berliner Choleriker Giesecke (Jörg Zirnstein) in Wallung zu bringen, und führt ansonsten ein unauffälliges Handlungsdasein. Im Grunde genommen ist „Kotzbrocken“ Giesecke als Berliner Unternehmer die Hauptperson, da er durch seine erratischen Wutanfälle die Handlung vorantreibt. Dazu hat man ihn ordentlich mit Fettkissen und einer grotesken Lederhose ausgestattet. Schon der Anblick ist einen Lacher wert, und Jörg Zirnstein verleiht dieser Figur mit einem unnachahmlichen Berliner Jargon markante Konturen. Auch Stefan Schuster als jugendlicher Schönling Sigismund – „Was kann der Sigismund dafür….“ – mit blond wallender Perücke bringt Schwung in die Handlung.
Ansonsten hängt diese Inszenierung weniger an einzelnen Rollen als vielmehr an der Tanzgruppe, die in immer wieder neuen Kostümen für optisches und bewegtes Leben sorgt. Herrlich die Szene, in der die feschen Tänzerinnen als Kühe im Stall auftreten. Die Tänzer retten letztlich die Inszenierung einer denkbar einfachen Handlung mit einem von vornherein absehbaren dreifachen Happy End. Nahezu jeder Szenenwechsel wird von einem originellen Auftritt dieser Truppe begleitet, so dass man letztlich nicht mehr der eigentlichen Handlung sondern eher den farbenfrohen Tanzauftritten folgt.
Das Staatsorchester unter der Leitung von Michael Nündel liefert dazu die jeweils passende Musik von der traditionellen Operettenmelodie bis hin zu Jazz- oder Popklängen. Am Ende kann man von einem amüsanten und abwechslungsreichen Abend sprechen.
Frank Raudszus
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