In der letzten Dekade hat es in Europa, speziell in Frankreich, schwere Terrorakte gegeben, die eine Flut von reaktiven und vor allem präventiven Polizeimaßnahmen zur Folge hatten. Die zunehmende Nervosität auf institutioneller Seite hat dabei auch zu Überreaktionen geführt, die wiederum das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der Polizei belastet hat und noch belastet. Der niederländische Künstler Aernout Mik hat diese Situation jetzt in zwei Video-Installationen verarbeitet, die in der Frankfurter Kunsthalle Schirn unter dem Titel „Double Bind/Threshold Barriers“ gezeigt werden.
Die beiden Video-Installationen laufen auf je zwei bzw. drei nebeneinander angeordneten Bildschirmen und beziehen sich aufeinander. Dazu sind sie bewusst derart angeordnet, dass man – von den angeordneten Sitzgelegenheiten – immer nur eine im Blickfeld hat.
„Double Bind“ zeigt eine Antiterror-Einheit bei der Vorbereitung eines Einsatzes. Dabei verzichtet der Autor bewusst auf eine logisch konsistente Abfolge der Szenen, denn ihm geht es nicht um eine funktionale Erklärung eines solchen Einsatzes, sondern um die Wirkung einer solchen Truppe einerseits und die Befindlichkeit ihrer Mitglieder andererseits. Dabei verzichtet er auf jegliche tendenziöse oder gar polemische Elemente im Sinne einer Politisierung der Sicherheitskräfte. Allein das Bild der schwer bewaffneten und langsam vorrückenden Truppe erzeugt schon eine bedrohliche Wirkung, die auch keiner verbalen Erklärung oder gar dramatischer Musik bedarf. Gerade die Lautlosigkeit der Installation verstärkt noch den Angst einflößenden Eindruck. Mal stehen die Soldaten in angespannter „Hab ach“-Stellung, dann wieder rücken sie langsam vorwärts, springen dann wieder aus Autos oder umstellen ein Haus. Sicherheitswesten, Helme und Waffen erhöhen das Drohpotential noch. Dann wieder sieht man die Mitglieder der Truppe in einer durchgehend weiß gehaltenen Sanatoriumsumgebung, die wohl der psychologischen Einstimmung auf gefährliche Einsätze dient. Der gesamte Clip dauert knapp eine dreiviertel Stunde, wobei sich die Szenen mit leichten Variationen der Anordnung wiederholen. Wie bei einem Musikstück erhöht die variierte Wiederholung die Spannung.
Das zweite Video, „Threshold Barriers“, zeigt in ähnlicher Weise die Situation nach einem Einsatz gegen Demonstranten. Die Straßen sind von Barrikaden zugestellt, auf deren beiden Seiten die Polizeikräfte und die Demonstranten ihre Wunden lecken. Deutlich sieht man auf beiden Seiten die physischen Folgen der Tätlichkeiten in Gestalt blutiger Wunden . Doch auch hier erfolgen keine emotionalen Ausbrüche, kein Hass oder gegenseitiges Anschreien, sondern nur Anspannung, Müdigkeit und gegenseitiges Belauern. Die Sicherheitskräfte ordnen ihre derangierte Schutzkleidung und räumen hier und da Barrikaden weg, auf der anderen Seiten haben sich die meist jungen Demonstranten untergehakt und harren der kommenden Ereignisse. Im Niemandsland zwischen den beiden Seiten hilft man sich sogar gelegentlich beim Wegräumen eines sperrigen Gutes, ohne dass es deswegen zur Verbrüderung kommt. Auch hier hat der Autor auf jegliche vordergründige Aktualisierung oder gar gezielte Politisierung verzichtet und zeigt nur, wie sich die Atmosphäre zwischen den beiden Parteien zu einem labilen Aggregatzustand verdichtet, der jederzeit wieder zur Eruption der Emotionen führen kann. Auch diese Installation dauert knapp 45 Minuten und kommt ohne jeglichen Ton aus.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 3. Oktober und ist einen Besuch wert.
Frank Raudszus
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