Nach scheinbar unendlich langer kultureller Enthaltsamkeit, ist es ein Segen wieder einmal in einem gut gefüllten Haus zu sitzen und einer Vorstellung des Landestheaters Detmold beiwohnen zu dürfen. Ort des Geschehens ist am heutigen Abend das Detmolder Sommertheater, wo „Das Dschungelbuch“ von Rudyard Kipling als Ballett von Katharina Torwesten dargeboten wird. Um genau zu sein, ist es sogar als Familienballett ausgeschrieben, wobei sich das im belebten Publikum nur sehr punktuell zeigt. Und dabei ist dies sogar eine der früheren Vorstellungen um 18:00 Uhr – andere beginnen sonst erst nach 19 Uhr. Um wirklich Familien auch mit kleineren Kindern anzusprechen, wäre eine zeitige Einplanung sicher entgegenkommend.
Zuerst mal lernt man heutigen Abend aber, dass es sich wieder lohnt ein wenig früher einzutreffen um sich einzustimmen, denn die Gastronomie ist tatsächlich geöffnet und eine halbe Stunde ‚einschwingen‘, lässt einen doch ganz anders in solch einen lebhaften Abend starten. Nun reicht es nur für eine kurze Erfrischung. Dann geht es zu unseren Plätzen auf der Empore.
In der ersten Szene sehen wir Moglis Mutter (Mirea Mauriello), wie sie mit ihrem Kind durch den Dschungel irrt. Angst liegt in ihrem Blick und die Musik wirkt bedrohlich. Shir Khan (Denison Pereira) ist Ihr leibhaftig auf den Fersen. Und so kommt es wenig später zu seinem Angriff, bei dem der kleine Mogli schließlich alleine zurückbleibt. Baghira (Khanya Mandongana) sammelt Mogli auf, kurz bevor Shi Khan seine Nachspeise abholen möchte. Zugegebenerweise ist dieser Beginn auch tänzerisch fulminant und packt die Zuschauer mit Leib und Seele. Im Rahmen eines Familienballetts bin ich aber etwas mit Skepsis behaftet, ob es so sein muss. Im handelsüblichen Buch wird Mogli von Baghira in einem gestrandeten Boot gefunden. Erheblich humaner.
Es folgt der Tanz mit den Wölfen. Zuerst verspielt und voller Liebe und Innigkeit. Dann jedoch kommt es zum Verstoß Moglis (Marilena Dolgetta) als Shir Kahn auch die Wölfe attackiert. Die Schlange Kaa (Veronika Jungblut) umsäuselt den kleinen Knaben als nächstes und versetzt ihn in ihren Bann. Nur zu knapp kann sich Mogli noch befreien. Hungrig und erschöpft sinkt Mogli zu Boden und schläft einen todesähnlichen Schlaf. Dies erscheint doch sehr zum Vergnügen der drei Geier (u.a. Mario Martello Panno und Giulia Spinelli), die wirklich mit spektakulären Kostümen Ihre Kreise um Mogli immer enger ziehen. Sie halten schon Messer und Gabeln sinnbildlich in ihren Händen als der Junge sich regt und die Geier sich sichtlich beleidigt wieder von dannen machen. Es kommt zum ersten Zwischenapplaus – wirkliche eine ganz herrliche Szene. Endlich erfüllt sich der lang ersehnte Kinderwunsch mit dem Treffen Moglis mit dem lebenslustigen Balu (Alexander Diedler). Balu und Baghira versuchen alsbald Mogli die Menschen, hier versinnbildlicht durch das Publikum, nahe zu bringen. Doch das lehnt Mogli mit aller Entschiedenheit ab und flieht. Die Geschichte nimmt dann ihren weiteren bekannten Verlauf.
Warum packt uns Das Dschungelbuch, gerade auch als Ballett so sehr? Zum einen ist es die Vielfältigkeit der Charaktere, wie wir sie aus dem Zusammenleben zwischen uns Menschen kennen. Zum anderen gelingt es Musik (Nikolay Schröder) und Tanz noch viel besser Emotionen zu transportieren als der reinen Erzählung. Und der Tanz, also das Ballett, ist wirklich sehr ausdrucksstark, kraftvoll und voller Leidenschaft. Zudem spielt auch die Mimik eine sehr wesentliche Rolle denn die Tänzerinnen und Tänzer sind eben auch Schauspieler. Das wiederum ist sehr familienorientiert, denn es ist deutlich nahbarer als andere Ballette.
Malte Raudszus
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