Daniela Krien versammelt in dem Erzählungsband „Muldental“ elf Geschichten von Menschen, die mit dem täglichen Kampf ums Dasein vollauf beschäftigt sind. Es sind wahre Geschichten, die der Autorin zugetragen wurden oder die sie aus Zeitungsnotizen entwickelt hat.
Hier im Muldental wird der Mensch normalerweise in ein materiell abgesichertes und friedliches Leben hineingeboren. Wenn sein Leben nicht rund läuft, trägt er die Bürde des Versagens in sich. Immer wieder wird er auf sich selbst zurückgeworfen und muss sich aus dem Sumpf wieder herausziehen. Aufgeben ist keine Option.
Doch Kriens Protagonisten sind keine Gewinner, so sehr sie sich auch bemühen. Gerade weil das so ist, findet Krien, dass ihnen ein Platz in der Literatur zusteht oder „eine Stimme im großen Menschheitslied“.
Nina beispielsweise, allein erziehend mit zwei Töchter, hat es weiß Gott nicht leicht. Jeden Morgen um 5.30 Uhr klingelt der Wecker. Sie bereitet das Frühstück für ihre Töchter zu; gleichzeitig muss sie auch noch das Mittagessen für die Tageskinder vorbereiten, die täglich zwischen 7.30 und 8 Uhr von ihren Eltern gebracht werden. Fünf kleine Kinder zwischen einem und drei Jahren. Der Mann, mit dem sie zusammen gelebt hatte, taugte nichts. Sie hat ihn rausgeworfen. Als ihre Älteste nach einer morgendlichen Diskussion zu ihrer Mutter „Fick dich“ sagt, verschlägt es Nina die Sprache. Wie hält man diesem täglichen Druck stand? Auch wenn man sich noch so viel Mühe gibt, kann man es eigentlich nicht schaffen.
Die Geschichte „Sommertag“ beschreibt die Situation des alkoholabhängigen Otto. Sein Elend begann am 9. November 1989. Da fiel die Mauer und Otto „auf die Fresse“. So beschreibt er selbst sein Elend. Mit viel Glück fand er einen Job in einer Werkstatt, doch sein Chef verbietet ihm den Alkohol während der Arbeitszeit. Heimlich versorgt ihn seine Frau Maggie mit Schnaps für zwischendurch, da er sonst den sechsstündigen Arbeitstag nicht durchhält. Aber Otto hat auch andere Zeiten erlebt. In den frühen Neunzigern boomte sein Betrieb. Da mussten dann ein großes Auto, eine neue Küche und ein Swimmingpool her. Maggies Bedürfnisse nahmen kein Ende, bis es schließlich zum Pfändungsbescheid kam. Nun begann die Abwärtsspirale.
Es sind Schicksale, wie man sie überall – auch in unserer Nähe – finden kann. Wer erst einmal ins Trudeln geraten ist, der rauscht weiter nach unten, und das geht manchmal sehr schnell. Die Autorin beschreibt sachlich aber auch empathisch, wie Menschen sich verzweifelt wehren und versuchen zu überleben.
Das Buch „Muldental“ ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 230 Seiten und kostet 22 Euro.
Barbara Raudszus
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