Über die Pubertätserscheinungen von Teenagern beiden Geschlechts gibt es eine reichhaltige Satiren- und Ratgeberliteratur. Nun kommt eine weitere Gattung hinzu: die „Alterspubertät“. Die haben die beiden selbst-ironisch und -satirisch angehauchten Autoren in Männern und Frauen – vorrangig erstere! – um die fünfzig entdeckt und in einer Reihe von treffenden Kurzgeschichten analysiert.
Es beginnt mit der erschreckenden Erkenntnis des Verlusts der Jugend, wenn die eigenen halbwüchsigen Kinder das bewusst jugendliche Auftreten des Vaters – gemeinsames „Ums-Haus-Ziehen“, plötzlicher Hang zur Popmusik – nur mit mitleidigem Lächeln quittieren, und wenn allem die jungen Freunde der eigenen Tochter – eigentlich noch ein unschuldiges Kind! – hemmungslos ihre drahtigen Körper und ihr dichtes Haupthaar zur Schau stellen. Da trifft dann der geknickte Vater bei dem Auftrag, für die Nachwuchsparty noch mehr Bier zu holen, an der „Tanke“ ausgerechnet auf Gott, der ihm etwas über misslungene Menschheitsexperimente und die nicht geplante Verlängerung der Adoleszenz erzählt, bevor er mit einer halbvollen Wodkaflasche im Bademantel im abendlichen Dunkel verschwindet.
Mit diesem satirischen Einstand setzen die Autoren gleich das selbstironische Niveau dieser Kurzgeschichten. In den folgenden Betrachtungen geht es immer wieder um den verzweifelten Versuch von „Mid-Agern“, die verflossene Jugend zurückzuholen oder zumindest die eigene Zugehörigkeit zu der Nachfolgegeneration zu simulieren. Da geht es um den nostalgischen Besuch von Konzerten gealterter Pop-Größen, den eigenen BMI und die Anfälligkeit für die Reizung der Eitelkeit durch reizende „Douglas“-Damen, die mit Leichtigkeit überteuerte Gesichtscremes an den mittelalterlichen Mann bringen.
Doch auch die Damen bekommen „ihr Fett weg“, wenn sie plötzlich ihre Liebe zum „Tango Argentino“ entdecken und den vermeintlich argentinischen Tanzlehrer anschmachten, woraufhin die düpierten Ehemänner die Experten für den Tanz, die spanische Sprache und alles Trendige drumherum zur Schau stellen. Wie die Gockel übertreffen sie sich gegenseitig an Kennerschaft der heißblütig-geschmeidigen Lebensweise des „Latin Lovers“ – bis zur großen Ernüchterung gerade durch die eigenen Frauen. Eben diese wiederum entdecken bei der Annäherung an die 50er-Schallmauer ihre immer schon latent vorhandene Liebe zu Yoga, Meditation, Räucherstäbchen, indische Gurus und andere Esoterika. Mann muss natürlich mitmachen und gibt sein Bestes an Offenheit und Verständnis bis zur vollständigen Selbstverleugnung.
In diesem Stil setzen sich die Geschichten fort und beleuchten die Alterspubertät aus immer neuen Perpektiven. Dabei tritt natürlich unvermeidlich eine gewisse Wiederholung auf, denn jede Geschichte beginnt wieder mit einer Einführung ins jeweilige Thema, durchläuft verschiedene Variationen und endet mit einer mehr oder minder zündenden Pointe. Man sollte das Hörbuch nicht in einem Stück hören, sondern sich die einzelnen Geschichten in geeigneten Abständen zu Gemüte führen; dann regenerieren sie sozusagen ihre Frische wieder.
Der Sprecher Hendrik Duryn würzt die Geschichten mit einer humorvollen Selbstironie, die selbst dem mitten ins Herz getroffenen (männlichen) Zuhörer noch tröstende Streicheleinheiten zukommen lässt.
Das Hörbuch ist bei Hörbuch Hamburg erschienen, umfasst drei CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 174 Minuten und kostet 14 Euro.
Frank Raudszus
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