“Fox 8” von George Saunders, erschienen 2018 , sollte man, wenn irgend möglich, unbedingt auf Englisch lesen, denn es lebt vom Witz einer orthographisch völlig von der Norm abweichenden Sprache. Man muss sich Wörter bisweilen laut vorlesen, um das gemeinte Wort zu erkennen.
Worum geht es? Fox 8 – oder auf Deutsch Fuchs 8 – ist eines der Fuchskinder in einem Fuchsrudel, das für seine etwas verträumte Art oft verlacht wird, oft auch von dem Leittier, dem „Grate Leeder“, für seine vorwitzigen Verhaltensweisen getadelt wird.
Das Besondere an Fox 8 ist jedoch, dass es ihm gelungen ist, die Menschensprache zu verstehen, denn er hat zufällig vor dem Fenster einer Familie der „Yumans“ gelauscht und erlebt, wie die Mutter den Kindern Gute-Nacht-Geschichten vorlas.
Nun erzählt er dem Menschen-Leser – dem „Deer Reeder“ – in einem Brief, welche Erfahrungen er mit den „Yumans“, aber auch mit der eigenen Fuchs-Gruppe gemacht hat.
Die Geschichten, die die Menschenmutter den Kindern vorliest, lassen eine Welt entstehen, in der die Menschen gut und friedlich sind, in der alle glücklich und zufrieden sind.
Natürlich glaubt dem kleinen Fox 8 keiner in seiner Fuchs-Familie, dass er die Menschen versteht, so dass er mit seinem Wissen nicht landen kann.
Als aber eine große Hungersnot unter den Füchsen entsteht, weil ein großer Menschenbagger deren Lebensraum zerstört, schlägt er vor, die Menschen um Hilfe zu bitten, was vom „Grate Leeder“ energisch als Unsinn zurückgewiesen wird.
Also macht sich Fox 8 alleine auf in diese Welt, entdeckt eine Shopping Mall, wo es die leckersten Dinge zu essen gibt. Die „Yumans“ verhalten sich allerdings seltsam, die schreien sich oftmals an, sie sind ärgerlich mit ihren Kindern, und sie hasten zu ihren seltsamen rollenden Kästen, die durchaus gefährlich sind.
Fox 8 ist aber entschlossen, seinem Rudel davon zu erzählen und vielleicht auf Verständnis zu stoßen. Als auch das misslingt, entschließt er sich, auf eigene Faust Lebensmittel für seine Familie aus der Mall zu besorgen. Der kleine „Fox 7“ schließt sich ihm an.
Aber dieser Ausflug endet mit einem Desaster. Auf dem großen Parkplatz vor der Shopping Mall entdecken zwei „Yumans“ die kleinen Füchse. Für Fox 8 ist unbegreiflich, warum diese „Yumans“ sie bedrohen und mit Steinen bewerfen. Er selbst kann den beiden entkommen, aber dem kleinen Fox 7 gelingt das nicht. Fox 8 muss zusehen, wie die „Yumans“ den Kleinen treten, durch die Luft schleudern und schließlich mit Tritten töten. Von so einem Verhalten hat er in all den Gute-Nacht-Geschichten nichts gehört.
In Panik flieht Fox 8, verliert dabei natürlich die in der Shopping Mall erbeuteten Lebensmittel, und er findet nicht mehr den richtigen Weg zurück zu seinem Rudel.
Er streift durch einen ihm ganz unbekannten Wald und trifft schließlich auf ein neues Rudel, das ihn nach einigem Beschnüffeln liebevoll aufnimmt. Die Trauer um seine verlorene Familie lässt ihn oft in Gedanken versinken, aber er findet eine Freundin, die ihn liebt und mit der es für eine neue Zukunft gibt.
Aber es treibt ihn weiter die Frage um, was es mit den „Yumans“ auf sich hat, und so fragt er den menschlichen Leser zum Schluss:
„I wud like to know what is rong with you people. How cud the same type of Animal who made that luv lee Mawl make Fox 7 look the way he looked the time I saw him? Wud a Yuman do something like that to another Yuman? I dowt it. (…) Maybe Yumans do that. But I have never seen it.”
Diese kleine Parabel ist sehr vielschichtig. Auf der sprachlichen Ebene ist sie komisch, und man fühlt sich als Leserin ein wenig wie eine Detektivin, die dem Wortsinn nachspürt. Gleichzeitig stellt sich auf dieser Ebene die Frage nach der Bedeutung orthographischer Richtigkeit. Ist es nicht in erster Linie wichtig, dass wir verstehen, was der andere uns mitteilen will? Da Fox 8 das mit seiner abenteuerlichen Schreibweise gelingt, fragt man sich, warum wir seit Generationen Kinder mit Rechtschreibung knebeln und damit soziale Auslese betreiben.
Auf der inhaltlichen Ebene ist es die kindlich naive Sicht des Tieres, das Gut und Böse nicht kennt, auf die Menschen. Es versteht nicht die Diskrepanz zwischen der Idylle, wie wir Menschen sie unseren Kindern in den Gute-Nacht-Geschichten vermitteln, und der Realität. Fox 8 kann und will nicht verstehen, dass Menschen roh, brutal und böse sein können, dass sie, statt in Liebe friedlich miteinander zu leben, sich bekämpfen, in ihrer künstlichen Welt – Fox 8 erscheinen die Gebäude als „white boxes“ – hin- und herhetzen und keinen Blick für die Natur und die Kreatur haben. Ihre Bagger zerstören die Natur und die Lebenswelt der Tiere und der Menschen.
Diese kleine, nur scheinbar vergnügliche Parabel ist eine Mahnung an uns alle, unsere eigene Welt öfter einmal aus der Kinder- oder eben der Tierperspektive zu sehen.
Die englischsprachige Ausgabe ist 2018 im Bloomsbury Verlag Uk erschienen, hat 64 Seiten und kostet 11, 99 Euro.
Die deutsche Ausgabe ist 2019 im Luchterhand Literaturverlag erschienen, hat 56 Seiten und kostet 12 Euro.
Elke Trost
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