Die „Fahrenden Musiker“ verdienten sich im Mittelalter dadurch ihren Lebensunterhalt, dass sie von Burg zu Burg zogen und dort die Bewohner der Burg und der angrenzenden Dörfer mit leichter Musik unterhielten. Das „Rheingau Musik Festival“ lässt diese alte Tradition wieder aufleben und verschiedene Musikgruppen an einem Nachmittag von Weingut zu Weingut ziehen, um dort jeweils eine halbe Stunde dem Publikum musikalisch einzuheizen.
Das Weingut Westerhaus in Ingelheim lieferte gleich die passende Umgebung für die erste Band, „Dr. Bontempi´s Snake Oil Company“. Fügt man einen Buchstaben in den Namen des Weinguts ein und macht es damit zum „Westernhaus“, ist es der ideale Saloon für eine „Country- und Hillbilly-Band. Und dieses Genre präsentierten die vierköpfige Gruppe – Fiddle, Bullfiddle und Gesang mit viel Tempo und Spielfreude. Die Gitarrensaiten heulten, und die „Fiddles“ jagten im Glissando rauf und runter. Und die beiden Gesangsstimmen erzählten von wilden Truck-Fahrern oder Beziehungsproblemen. Man konnte sich gut vorstellen, wie die ländliche Bevölkerung im Süden der USA dazu tanzt. Den Abschluss bildete der berühmte Swing-Titel „Pennsylvania 65000“.
In der Pause bis zum Eintreffen der nächsten Band konnte man sich nicht nur mit Getränken und bodenständigen Speisen eindecken, sondern auch den weiten Blick über rheinhessischen Weinberge genießen. Glücklicherweise hatten die Gastgeber ein großes und stabiles Zelt aufgebaut, so dass man den dunkel aufziehenden Regenwolken entspannt entgegensehen konnte. Und auch die zweite Band, die irische „Shebeen Connection“ konnte beruhigt aufspielen. In den irischen Liedern ging es um illegale Kneipen und Trunksucht, aber auch um Liebe und um den Kampf gegen England (wieder ganz aktuell). Daneben erklangen Swing-Tutel und sogar Louis Armstrongs „What a wonderful World“, wobei der Lead-Sänger Alan Sherry Louis´tiefrauchige Stimme täuschend echt imitierte. Auch diese Gruppe brachte Tempo und Witz in das Zelt und übertönte problemlos die schweren Regenschauer, die auf das Zeltdach prasselten.
Den Abschluss bildete die Oldenburger Band „Chapeau Manouche“, die Musik à la Django Reinhard spielte. Dazu moderierte der Sänger und Geiger Clemens Schneider humorvoll und wendig unter Einbeziehung des Publikums, dem er gleich zu Beginn den norddeutschen Gruß „Moin Moin“ beibrachte. Jazz-Klassiker wie „It had to be you“, I see you in my dreams“ oder „I can´t give you anything but love“ waren ebenso zu hören wie Verbeugungen der Gitarristen an Django Reinhard oder der deutsche Swingversuch „Sie will nicht Blumen, will nicht Schokoloade“ nach einem Swing-Klassiker aus den USA. Diese Gruppe bestach vor allem durch ihren bewusst sparsamen und transparenten Klang.
Mit dem letzten Stück dieser Gruppe versiegten auch die schweren Regenschauer, so dass die Besucher relativ trocken das Zelt verlassen und ihre Autos erreichen konnten. Man kann diesen Nachmittag der „Fahrenden Musiker“ im Weingut Westerhaus (ohne „n“!) mit Fug und Recht als einen vollen Erfolg bezeichnen.
Frank Raudszus
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