Das vorliegende Hörbuch beruht zu großen Teilen auf dem Buch „Homo Deus“ des selben Autors. Doch während Harari in dem Buch vornehmlich die möglichen Zukunftsszenarien untersucht, konzentriert er sich in den „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ auf die drängendsten gegenwärtigen Probleme.
Harari definiert für das 21. Jahrhundert kurzfristig drei große Herausforderungen: die immer noch existierende Gefahr eines Atomkrieges, den nicht mehr zu leugnenden Klimawandel und die technologische Disruption.
Die atomare Bedrohung belegt er mit der zunehmenden globalen politischen Instabilität: Russlands neue imperialen Gelüste, Chinas skrupelloser Expansionsdrang, der eskalierende Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien mit kaum abzuschätzenden Konsequenzen für den Nahen Osten und darüber hinaus sowie schließlich die neue – und eventuelle langfristige – politische Irrationalität der USA.
Der Klimawandel wird mit allen Folgen wie Unwetter, Dürre, Überschwemmungen und Ansteigen der Meere kommen, falls die Weltgemeinschaft nicht sehr schnell zu einer Übereinkunft bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes kommt. Hier ist Harari zwar nicht dediziert pessimistisch, zeigt jedoch auch keinen ausgeprägten Optimismus. Er weist jedoch darauf hin, das ein Versagen auf diesem Gebiet erst eine massive Migration, dann militärische Auseinandersetzungen und letztlich einen atomaren Schlagabtausch nach sich ziehen könnten. Die einzelnen Gefahrenherde sind nicht nur für sich brandgefährlich sondern auch noch miteinander verbunden.
Die technologische Disruption ist eine bisher noch weitgehend verdrängte Herausforderung. Wie Harari auch in „Homo Deus“ darlegt, können Maschinen und die in ihnen ablaufenden Algorithmen den Menschen in historisch kurzer Zeit überflüssig machen und die Menschheit in eine kleine, sehr mächtige (IT-)Elite und eine große, nutzlose Masse spalten. Die politischen, gesellschaftlichen und damit auch militärischen Folgen sind für ihn unübersehbar.
Neben diesen drei Hauptproblemen diskutiert Harari eine Reihe von Nebenproblemen, die jedoch mit den großen Problemen zusammenhängen. So schreibt er dem Terrorismus eine weltweite Überbewertung zu. Die Terroristen suchten lediglich Aufmerksamkeit, richteten jedoch trotz spektakulärer Anschläge mit lokal tödlichen Folgen im Gegensatz zu einem richtigen Krieg keinen bedeutenden Schaden an. Der Öffentlichkeit einschließlich der Medien wirft er dabei vor, den Terroristen eben diese Aufmerksamkeit geradezu zu schenken. Die Erfolge der Antiterrorbehörden – Entlarvung von Terroristen Aufdeckung von Aktivitäten – würden dabei chronisch unterbewertet, weil es ihnen an Spektakularität fehle.
Auch mangelnde Bildung ist ein Grund für die wachsenden Instabilitäten. Unmittelbare Folge ist das Phänomen der „postfaktischen“ Ideologie, die die Komplexität der Welt zu einfachen Freund-/Feind-Bildern reduziert, unbequeme Fakten leugnet und Verschwörungstheorien huldigt. Bildungsmängel hängen auch eng mit fanatischer Religiosität zusammen, die einen Alleinvertretungsanspruch für die je eigene Religion erhebt. Folgen sind wiederum Terrorismus und – „ultima ratio“ – der Krieg.
Jürgen Holdorf trägt die 21 Kapitel eindringlich, doch nie alarmistisch oder pathetisch vor. Er lässt in seiner Sprache den Glauben an die Einsichtsfähigkeit der Menschheit durchschimmern, bringt jedoch in jedem Satz auch die Befürchtung zum Ausdruck, dass diese zu spät kommen könne.
Das Hörbuch ist beim „Hörverlag“ erschienen, umfasst zwei mp3-CDs mit einer Gesamtlaufzeit von nahezu dreizehn(!) Stunden und kostet 15,39 Euro.
Frank Raudszus
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