Michael Endes Kinderbuch „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ ist ein Zwitterwesen aus Kindermärchen und ernsthaften Themen für Erwachsene. Daher bietet es auch eine breite Palette von Möglichkeiten der Präsentation auf der Bühne. Die „Neue Bühne Darmstadt“ hat das Buch jetzt – rechtzeitig vor Weihnachten – als Theaterstück für beide Zielgruppen auf die Bühne gebracht.
Der Wissenschaftler Irrwitzer(!) entwickelt in seinem Geheimlabor Tinkturen zur Vergiftung von Wasser, Luft und Erde, zur Ausrottung von Pflanzen und Tieren und zu sonstigen Verbrechen gegen die Menschheit. Das Geld steuert seine Tante Tyrannia Vamperl bei, auch „Hexe Mammon“ genannt. Beide werden vom Satan tatkräftig unterstützt und haben ihm vertraglich versprochen, bis zum Jahresende eine Reihe konkreter Grausamkeiten nachzuweisen. Als Satan einen Beamten zur Anmahnung der ausstehenden Leistungen bei Irrwitzer vorbeischickt, gerät dieser unter Druck, denn es sind nur noch wenige Stunden bis zum Jahreswechsel. Dasselbe gilt für Tyrannia, die aufgeregt ihren „Beelzebub“ genannten Neffen besucht, um die kritische Situation zu besprechen.
Beide haben ein Haustier, Irrwitzer den Kater Maurizio und Tyrannia den Raben Jakob. Die beiden sind vom Rat der Tiere als Spione in die Häuser der bösartigen Menschen eingeschleust worden, um deren Absichten auszukundschaften. Beide sind jedoch von Ihren „Besitzern“ entlarvt worden, ohne dass sie es gemerkt haben. Während Irrwitzer seinen Kater erfolgreich mit Medikamenten sediert und in eine gutgläubige Hauskatze umgewandelt hat, reicht Tyrannia das Wissen um die Doppelfunktion des Raben. Damit hat sie ihn jedoch unterschätzt, denn der clevere und lebenstüchtige Jakob kontaktiert Maurizio, um mit ihm über die Situation und die Rettung der Welt zu sprechen. Dass es schwer wird, den bequemen Kater von den bösen Absichten der Menschen zu überzeugen, versteht sich von selbst, dass es Jakob auf einigen Umwegen dennoch gelingt, ebenfalls.
Tyrannia und Irrwitzer sehen als einzigen Ausweg die Entwicklung eines geheimen „Wunschpunsches“, der, um Mitternacht des Sylvesterabends getrunken, jeden Wunsch in Erfüllung gehen lässt. Der Trick und vermeintliche Vorteil gegenüber den beiden tierischen Spionen besteht jedoch darin, dass der Wunschpunsch den laut geäußerten Wunsch in sein Gegenteil verkehrt. So kann man gemeinsam Sylvester feiern und sich und der Welt das Beste wünschen……
Die Handlung kreist von Beginn an um die Frage, welches Paar das andere austrickst und dabei die eigenen langfristigen Ziele erreicht. Das ist durchaus originell und mit viel Wortwitz gestaltet. Vor allem der Rabe bietet da viele Möglichkeiten für Wortspiele, von „Rabeneltern“ über „Pechvogel“ bis zum „Unglücksraben“. Der Kater muss sich metaphorisch dagegen mit seiner Eitelkeit und Selbstgefälligkeit begnügen. Auf der menschlichen Seite gibt der Wissenschaftler genug Stoff für Karikatur und Seitenhiebe, auch ohne plattes Ressentiment. Die ewig Geld zählende „Hexe Mammon“ steht dabei natürlich für die Bankenwelt, die schon vor der großen Bankenkrise nicht sehr beliebt war.
Für ein Märchen zur Weihnachtszeit gehört es sich natürlich, dass die Guten – die Tiere – am Ende siegen und die bösen Menschen ihre gerechte Strafe erhalten. So auch hier. Wie das im Einzelnen abläuft, wollen wir hier natürlich nicht verraten, da auch des Lesens kundige Erwachsene noch mit einer gewissen Spannung in die Aufführung gehen sollen. Es sei nur so viel gesagt, dass die fünf Schauspieler die Geschichte mit viel Witz und Temperament präsentieren. Reiner Poser ist ein etwas zerstreuter Wissenschaftler, der in seinen dampfenden Dünsten herumrührt, sich der hinterhältigen Tricks seiner Tante (Gabriele Reinitzer) jedoch durchaus mit taktischem Geschick erwehren kann. Diese, mit viel künstlichem Körperfett angereichert und mit diversen Ischiasproblemen kämpfend, zieht alle Register weiblicher Taktik von dicker Schmeichelei bis zu giftiger Keiferei. Beide zusammen geben ein wahrhaft unterhaltsames Paar der Bösartigkeit ab.
Die beiden Tiere fallen allein schon wegen ihrer Kostüme auf: Bianca Weidenbusch im schwarzen Federkleid mit ebenso schwarzem Schnabel und Ralph Dillmann als Kater mit dickem braunen Pelz, Kuschelohren und aufgemalten Barthaaren. Beide imitieren auch körpersprachlich und stimmlich die Eigenarten ihrer gastgebenden Hüllen, wobei vor allem Bianca Weidenbusch beeindruckend und teilweise dramatisch umherflattert. Fast möchte man meinen, gleich hebe sie ab, und ihre unterirdischen Krächzlaute könnten glatt aus einem alten Hitchcock-Krimi stammen…..
Selbst Markus Hill in der Nebenrolle des höllischen Abmahners wirkt unheimlich und mit grauem Anzug und Hut wie ein Mafia-Ganove aus den düsteren Krimis der 30er Jahre.
Alle Darsteller spielen ihre Rollen mit viel Verve und offensichtlichem Spaß an den skurrilen Figuren. Unter der Oberfläche der witzigen Geschichte lauert jedoch die ernste Sorge über den Zustand und die Zukunft einer Welt, die zunehmend unter Vergiftungserscheinungen leidet und auf eine sehr ungewisse Zukunft hinsteuert. Auch wenn das Buch als Kinderbuch ausgewiesen ist, sollte man das Theaterstück wegen seiner optischen Präsenz und wegen der bitteren Ironie mancher Texte erst Kindern ab zehn Jahren zumuten.
Das Premierenpublikum zeigte sich sehr angetan und spendete kräftigen Beifall.
Frank Raudszus
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