Inger-Maria Mahlke: „Archipel“

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Teneriffa ist eine der Lieblingsinseln mitteleuropäischer und speziell deutscher Touristen. Hier kann man dem Novemberwetter in Deutschland entfliehen und gut überwintern. Die Sonne strahlt, Strände locken zum Bade und die Landschaft lädt zum Wandern ein. Doch wie sieht Teneriffa für die Einheimischen aus? Damit hat sich Inger-Maria Mahlke in ihrem Roman „Archipel“ auseinandergesetzt.

Es ist eine Familiengeschichte der Familien Baute-Gonzales und Bernadotte. Sie beginnt im Jahr 2015 und wird rückwärts durch die Generationen bis ins Jahr 1919 erzählt. Was immer sich über die Jahre in Spanien politisch verändert hat, schlägt etwas später auch auf Teneriffa durch. Vor allem betrifft es die Familien, die von der Franco-Diktatur über den Westsahara-Konflikt und andere Krisen ins Trudeln geraten. Sie kämpfen einerseits um ihre karge Existenz und tragen andererseits ihre Generationenkonflikte aus. Ist es der Anspruch der Älteren, alles im Lot zu halten und wenige Veränderungen zuzulassen, kämpfen die jüngeren Generationen für neue, andere Ziele und wollen aus dem engen gesellschaftlichen Korsett ausbrechen.

Doch der langsame Verfall der Insel sowie der Familien lässt sich nicht aufhalten, sondern schreitet stetig voran. Der rasant wachsende Tourismus verbraucht die Trinkwasser-Reserven in hoffnungslosem Ausmaß. Noch immer werden die Abwässer ungeklärt ins Meer geleitet, und an manchen Tagen schwappt die braune Brühe direkt zurück an den Strand. Über Jahre hat man es versäumt, die Insel ökologisch im Gleichgewicht zu halten und die Existenzgrundlage für die einheimische Bevölkerung zu sichern.

Mahlkes Roman ist nicht einfach zu lesen. Kaum hat man sich als Leser auf eine Zeit und ihre Protagonisten eingestellt, macht die Autorin einen Schnitt und springt zurück in der Zeit. Die private und politische Situation ändert sich schlagartig entgegen der gewohnten chronologischen Richtung, und der Leser muss sich neu zurechtfinden. So wird er gezwungen, sich immer wieder mit der Lebenssituation der Menschen auf Teneriffa neu auseinanderzusetzen. Dennoch sind gerade diese Sprünge zurück in der Zeit das Besondere dieses Romans, wenn sie auch den Lesern viel Konzentration abverlangen.

Der Roman ist unbedingt zu empfehlen, ermöglicht er doch einen völlig neuen und kritischen Blick auf ein „Urlaubsparadies“. Das Buch ist im Rowohlt-Verlag erschienen, umfasst 429 Seiten und kostet 20 Euro.

Barbara Raudszus

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