Die Teilung Deutschlands als private Bruchstelle

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Nach dem Festival ist vor dem Festival! Kaum ist das Rheingau Musik Festival Anfang September zu Ende gegangen, schließt sich gleich sein literarischer Bruder an, das Rheingau Literatur Festival. Nur zehn Tage dauernd, ist es tatsächlich ein ziemlich kleiner, wenn auch feiner Bruder, und bietet eine Reihe von Lesungen von Schriftstellern aus ihren aktuellen Romanen. Am 23. September erfolgt dann die Vergabe des diesjährigen „Rheingau Literatur Preises“ an Robert Seethaler, der auch selbst am 22. September aus seinem Roman „Das Feld“ vorliest.

Andreas Platthaus (l.) und Gert Loschütz.
© RLF / Ansgar Klostermann

Am 20. September stand die Lesung von Gert Loschütz´ Roman „Ein schönes Paar“ durch den Autor selbst auf dem Programm. Im herrschaftlichen Draiser Hof des Weinguts Baron Knyphausen in Eltville-Erbach traf sich eine kleine, verschworene Gemeinde literarisch interessierter Gäste – vorwiegend Frauen – im intimen Ambiente eines Raumes, der sonst wohl Weinproben dienen mag. Auf einem kleinen Podium standen zwei historische Polstersessel und ein kleiner Tisch, die auch ohne Personen bereits Bedeutung ausstrahlten. Hier nahmen der Dillenburger Schriftsteller Gert Loschütz und Moderator Andreas Platthaus vom Feuilleton der FAZ Platz, um das Buch in Auszügen zu präsentieren und darüber zu diskutieren.

Gert Loschütz, Jahrgang 1946, wuchs im brandenburgischen Genthin auf, verließ jedoch die DDR im Alter von knapp elf Jahren mit seinen Eltern und landete im hessischen Dillenburg. Diesen biographischen Hintergrund benutzt er für seinen neuen Roman „Ein schönes Paar“. Darin erfährt der heutige Ich-Erzähler vom Tod seines Vaters in einem Heim. Seine Mutter lebt schon seit längerem nicht mehr, der Tod des Vaters weckt jedoch nicht nur die Erinnerungen an die Mutter, sondern auch an das Leben seiner Eltern in der DDR und später in der Bundesrepublik. Gert Loschütz las an diesem Abend zwei längere Kapitel, in denen er die letzten Tage in der DDR beschreibt. Der Vater arbeitete in leitender Position in einem großen Maschinenwerk, wollte sich aber trotz Drängens seiner Parteifreunde nicht bei dem Aufbau der NVA engagieren. Während eines Besuches bei einem alten Kriegskamerad in Hannover – das Kapitel spielt im Jahr 1957 – nimmt ihn dieser mit zu einer Vorstellung bei der Bundeswehr, er jedoch lehnt einen Wechsel in die Bundesrepublik und den Eintritt in die Bundeswehr. Als er zwei Tage später einen Brief der Bundeswehr nach Hause bekommt, weiß er, dass er schnellstens verschwinden muss.

Für Eingeweihte sind laut Aussagen des Autors die orte Genthin und Dillenburg durchaus erkennbar. Loschütz hat sie jedoch in die fiktiven Orte Flotow und Tautenburg umbenannt. Auf Nachfrage des Moderators Andreas Platthaus erklärt er diese Umbenennung damit, dass er damit die realen Orte zwar wiedererkennbar beschreiben kann, aber sich dennoch handlungsbedingte Änderungen leisten kann, ohne sich mit entsprechenden Einwänden von Lesern und Kritikern beschäftigen zu müssen. Die künstlerische Freiheit ist ihm verständlicherweise wichtiger als eine bis ins letzte Detail naturgetreue Beschreibung der jeweiligen Orte. Nur bei großen Städten wie Frankfurt oder Berlin ist das natürlich nicht möglich, ohne die Grenze zur Lächerlichkeit zu überschreiten.

Loschütz´Stil ist nüchtern und unprätentiös. Er verzichtet auf jegliche aufgesetzte Dramatik zwecks Erzeugung von Spannung und auch auf andere Effekt heischende Sprachmittel. Gerade durch diese alltagsnahe Sprache kommt die jeweilige Situation deutlich und ungeschminkt zum Ausdruck. Lediglich das Stilmittel der „auktorialen Vorausschau“ setzt er von Zeit zu Zeit ein, um auf künftige gravierende Änderungen der Situation hinzuweisen. Damit kann man vor allem eher ruhige Passagen eines Romans mit etwas Spannung aufladen.

Mehr lässt sich über dieses Buch nach zwei Kapiteln und einem lockeren Podiumsgespräch an dieser Stelle nicht sagen. Die Lesung war jedoch dazu angetan, Interesse zu wecken, da sie die letzten sechzig Jahre in Deutschland am Beispiel einer privaten Beziehung beschreibt, die den politischen und damit auch privaten Spannungen auf die Dauer nicht gewachsen ist. Wieso sich diese beziehung so entwickelt hat, erfährt man am besten durch die Lektüre dieses Romans, was wir hiermit empfehlen. Das Buch ist im Schöffling-Verlag erschienen und kostet 22 Euro.

Frank Raudszus

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