„Sie sehen, was Sie nicht sehen, und sie sehen nicht, was Sie sehen!“ – so begrüßte der Niederländer Hans Klok die Gäste in der nahezu ausverkauften Alten Oper in Frankfurt zu einem Abend der Illusionen und akrobatischer Einlagen. Was Kinder aus dem Zirkus als „Zauberei“ kennen, nennt sich heute „Illusion“, und der Magier auf der Bühne wird zum Illusionisten. Die Zeiten des Kaninchen aus dem Hut zaubernden und Kartentricks vorführenden Alleinunterhalters sind angesichts Fernsehen, „Youtube“ und anderer Online-Dienste ein für alle Mal vorbei. Die Show auf der Bühne muss mehr bieten als nur eine Sequenz immer wieder ähnlicher Zaubertricks.
Hans Klok hat dies erkannt und seine Magie zur großen Illusion-Show ausgebaut. Als Grundlage wählte er die Geschichte um den fiktiven Zauberer Cordoni, der angeblich fünf bekannte Illusionisten auf sein düsteres Schloss einlud, sie dort alle ihre Tricks niederschreiben ließ und sie anschließend lebendig begrub. Hans Klok geht in seiner Show „House of Mystery“ nun auf die Suche nach dem mysteriösen Schloss, um das verschollene Buch der Zaubertricks zu finden. Noch vor dem Beginn flattern fiktive Zeitungsmeldungen über Cordoni und die verschwundenen Illusionisten über eine große Leinwand, und später erscheinen dort alte Stiche düsterer Schösser und mittelalterlicher Gruften. Blitz und Donner aus dunklen Wolken gestalten die Geschichte düster und gefährlich, und ansonsten explodiert die Leinwand förmlich von bunten Bewegtbildern aller Art. Dazu ertönen dramatische Musikfetzen oder düstere Melodien, die abergläubisch gesinnte Besucher oder Kinder durchaus das Gruseln lehren können.
Vor dieser Leinwand spielt sich das Geschehen auf der Bühne ab, das in engen Kurven von einer gefährlichen Situation in die nächste rast, während aus dem „Off“ die hämische Stimme des jenseitigen Cordoni dem modernen Illusionisten Hans Klok ein übles Ende prophezeit. Der verwandelt auf seinem gefährlichen Weg durch das Reich der Zauberer nebenbei Milch zu Pulver, lässt ein Weinglas an dem Weinstrahl aus der Flasche in der Luft hängen oder befreit gleich mehrere Frauen aus einem engen, verschlossenen Käfig, in dem vorher nur eine Frau saß. Natürlich ohne Brechstange oder Bolzenschneidern, sondern nur mit einem großen Zaubertuch. Dann wieder tauscht er den Platz mit einer Frau in einem Käfig unter Zauberknall und Dampf, oder lässt den Körper einer Frau in einer hohen Kiste verschwinden, wobei oben und unten nur Kopf und Beine zu sehen sind, während man dazwischen durch ein Fenster auf die rückwärtige Leinwand schaut.
Zwei Nummern sind besonders spektakulär: erst lässt sich Klok selbst rücklings auf eine senkrechte Stange legen, wobei sein Körper – wie auch immer – in der waagerechten Schwebe verharrt, um dann mit einem Knall auf der spitzen Stange nach unten zu rutschen, deren Spitze aus seinem Bauch zu ragen scheint. Tusch! Im zweiten Fall lässt er sich in eine Pappkiste einsperren und diesen von einigen „skrupellosen“ Herren aus dem Publikum mit knapp einem Dutzend martialischen Schwertern durchbohren. Man würde sich nicht wundern, wenn die auf der anderen Seite der Kiste herausragenden Schwertspitzen blutgetränkt wären. Aber nein – sie bleiben blitzeblank, und Hans Klok steigt unversehrt und mit strahlendem Lächeln aus der Kiste.
So folgen ähnliche Nummern in schneller Folge aufeinander, wobei sich vor allem die „Befreiungsnummer“ in leichten Varianten des Öfteren wiederholt. Dann wieder tragen in einer Kiste gefesselt sitzende Frauen plötzlich die über die Kistenwand geworfenen Kleidungsstücke zufällig aus dem Publikum ausgewählter Gäste – unter den Fesseln! Dann wieder schwebt eine brennende Glühbirne ohne Kabel über die dunkle(!) Bühne, als sei sie schwerelos und brenne von selbst, oder ein kleiner Tisch schwebt ebenfalls an der Tischdecke durch den Raum. In einer anderen Nummer zaubert Hans Klok aus einem engen Flaschenbehälter scheinbar beliebig viele Flaschen hervor und vertauscht sie beliebig mit einem Glas, und schließlich lässt er auch noch einen jugendlichen Gast, der sich ganz mutig sogar ausdrücklich für ein „gerfährliches“ Experiment entscheidet, frei in der Luft schweben.
Damit die Zuschauer zwischen all den Schlag auf Schlag folgenden Zaubernummern auch einmal Luft holen können, sorgen akrobatische Nummern internationaler Künstler für Abwechslung. Ein russisch-ukrainisches Paar zeigt – scheinbar mühelos – kraftvolle Paarfiguren, ein Jongleur lässt rotierende Scheiben auf einem Seil und durch die Luft tanzen, und eine junge Chinesin verbiegt ihren Körper in anspruchsvollen Bodenübungen. Für ausgefallene Beleuchtung sorgen zwei Lasershows, wobei die zweite zu einem Laserkampf zwischen dem Experten und Hans Klok ausartet – wie in einem SF-Weltraumfilm. Eine junge Frau lässt einen ganzen Stapel von Silberreifen um ihre Taille und Hüften schwingen, und ein ägyptischer Tanz der Damen beschwört in waberndem Disco-Nebel die mystische Zeit der Pyramiden und Hieroglyphen herauf.
Hans Klok schafft es, das Publikum über zwei Stunden lang in – oder besser: außer! – Atem zu halten. Zwar wünscht man sich bisweilen den alten Brauch wieder, die Zauberkunststücke mit der geheimnisvollen, sich langsam aufbauenden Aura einer erwartungsvollen Spannung zu umgeben, aber das gehört wohl der Vergangenheit an. Das hohe Tempo der Kunststücke selbst und ihrer eng getakteten Folge stellt einerseits die höchsten Anforderungen an die Künstler auf der Bühne – und ist deshalb schon ein Wert an sich -, es lässt außerdem auch jeden Versuch neunmalkluger Besucher scheitern, die Tricks der Zauberkünstler zu entlarven. Es geht einfach zu schnell.
Das Publikum amüsierte sich an diesem Abend prächtig und applaudiert daher zum Schluss auch kräftig. Ein voller Erfolg in Frankfurt für Hans Klok!
Frank Raudszus
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