In den fünfziger Jahren hieß es, „bald“ – das heißt gegen Ende des Jahrhunderts – werde man mit fliegenden Autos durch die Lüfte segeln oder Mond- und Marsstationen bevölkern. Viele dieser Prophezeiungen sind noch immer Träume, an andere Entwicklungen – wie das Smartphone – hat man damals dagegen noch gar nicht gedacht. Kelly und Zach Weinersmith haben sich zehn – aus heutiger Sicht – revolutionäre Technologien vorgenommen und sie in dem vorliegenden Buch auf populärwissenschaftliche und humoristische Weise diskutiert. Dr. Kelly Weinersmith ist Biologin und ihr Mann Zach Verfasser erfolgreicher Comics, die er zeichnet und textet. Damit bilden die beiden ein unschlagbares Team, das sowohl den fachlichen Teil seriös beurteilen als auch die Ergebnisse auf ausgesprochen unterhaltsame Weise präsentieren können. Dabei bringen sie sich immer wieder selbstironisch in den Text mit ein, ohne aber diese zarte Koketterie in Selbstbespiegelung ausarten zu lassen.
Schon in der Einleitung ziehen sie die überwiegend unzutreffenden Vorhersagen sogenannter Experten durch den Kakao, die sich seit Anbeginn der industriellen Entwicklung in beiden Richtungen – Optimismus und Pessimismus – kräftig geirrt haben, und fügen sich selbstironisch in diesen Reigen ein. Dabei erklären sie nebenbei einige physikalische Grundbegriffe und unterlegen diese mit treffenden Comic-Zeichnungen. Dann untersuchen sie zehn Kerntechnologien und veranschaulichen die jeweiligen Chancen und Risiken mit ihrem unnachahmlichen Stil auf sehr anschauliche Weise.
Beim Zugang zum Weltall zeigen sie mit wenigen Sätzen, dass die heutigen Weltraumraketen nur deshalb so groß sind, weil sie ihren eigenen Sprit in den Weltraum befördern müssen, und kommen dann auf Alternativen wie den Kohlefaser-Aufzug zu sprechen, an dem Weltraum-Kabinen bis zu einem Geostationären Punkt hochklettern könnten. Der Theorie stehen Risiken und technische Probleme gegenüber, die von heutigen Experten nur schwammig umrissen werden.
Die Ausbeutung der rohstoffreichen Asteroiden ist ein weiteres Thema, das hiesige Engpässe beseitigen und für paradiesische Zustände sorgen könnte, wenn – ja, wenn! – man so einen Asteroiden erst einmal einfangen und in eine Kreisbahn bringen könnte. Theoretisch machbar, aber mit unabschätzbaren Problemen bei der technischen Umsetzung. Die Ideen reichen bis zu großen Netzen, mit denen man die Asteroiden einfängt.
Die Energiegewinnung ist natürlich ein zentrales Thema, und hier stellen die bedien Autoren die Kernfusion dar, und wie man die Abläufe im Innern der Sterne kontrolliert und in irdischem Maßstab nachbilden könnte. Auch hier treffen sie mit ihrer saloppen Darstellung den Nagel der technischen Probleme auf den Kopf, ohne deswegen pessimistisch oder gar defätistisch zu wirken.
Ein ganz heißes Eisen ist die „programmierbare Materie“. So wie man heute einen – im Gegensatz zu einer spezialisierten Hardware – zu keiner bestimmten Aufgabe geeigneten Computer erst durch die Software für beliebige Aufgabenstellungen konfigurieren kann, so könnte man auch miniaturisierte Materieteile mit Intelligenz ausstatten, die es ihnen erlaubt, sich selbst nach Softwarevorgaben zu beliebigen Objekten zu kombinieren. So würde man zum Beispiel keine Stühle oder Tische mehr bauen, sondern den jeweiligen Verwendungszweck „ad hoc“ durch einen Softwarebefehl realisieren.
Weiter geht die Reise der beiden Autoren durch den Roboterbau, die „Augmented Reality“ und die synthetische Biologie. Zum Schluss ist der Mensch selbst das Ziel der Aktivitäten, wobei erst die Präzisionsmedizin, dann das „Bioprinting“ mit der Herstellung neuer Organe und schließlich die Schnittstelle zum Gehirn die Themen sind.
Bei all den angesprochenen Themen hüten sich die beiden Autoren, eigene Vorhersagen zu wagen. Sie erläutern den Stand der Technik und lassen die jeweiligen Experten – auch mit eigenen Vorhersagen – zu Wort kommen. Zu jedem Thema fügen sie ein Kapitel über Probleme sowie über Risiken und Chancen hinzu, wobei sie sowohl auf Zukunftsbegeisterung als auch auf Alarmismus verzichten. In ihrem ganz eigenen humoristischen Comic-Stil beschreiben sie die jeweiligen Aktivitäten, Hoffnungen und Erwartungen aus der Distanz der skeptischen Humoristen, die das alles nicht so ernst nehmen und in jeder Technologie auch das Skurrile und Groteske finden.
Dieses Buch ist für Technikinteressierte wie für Comic-Liebhaber gleichermaßen zu empfehlen, weil die Autoren diese beiden Bereiche auf ganz besondere Weise zusammenbringen, ohne dabei fachliche oder humoristische Abstriche zu machen.
Das Buch ist im Hanser-Verlag erschienen , umfasst 445 Seiten und kostet 22 Euro.
Frank Raudszus
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