Das diesjährige Rheingau-Musik-Festival stand nicht zuletzt im Zeichen der Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens. Die letzten dieser Serie – und damit die wichtigsten – erklangen alle im Friedrich-von-Thiersch-Saal des Kurhauses Wiesbaden, und alle wurden von jungen Pianisten der neuen Generation vorgetragen: das vierte von Jan Lisiecki, das fünfte von Igor Levit und nun – zum Abschluss – das dritte in c-Moll von der jungen Sophie Pacini. Damit setzt das Festival deutlich auf die junge Generation der Pianisten, die allerdings selbst schon fast zum internationalen pianistischen Establishment gehören.
Den orchestralen Part übernahm dieses Mal die von Thomas Hengelbrock und der Akademie Balthasar Neumann gegründete „Cuban-European Youth Academy“ (CuE), in der junge Musiker aus Kuba und Europa zusammen die musikalische Literatur beider Kulturkreise präsentieren. Der junge britische Dirigent Duncan Ward stand an diesem Abend am Pult.
Der erste Teil des Konzerts war Ludwig van Beethoven gewidmet, der zweite Jacques Ibert, George Gerswhin sowie der zeitgenössischen kubanischen Violinistin und Komponistin Jenny Peña Campo, die mit einer extra für das Festival komponierten kubanischen Suite vertreten war. Der Rezensent konnte jedoch leider wegen einer Unpässlichkeit nur den ersten Teil des Konzertes wahrnehmen.
Zur Einleitung des Abends spielte das CuE-Orchester Beethovens „Prometheus“-Ouvertüre, die sich nicht zuletzt an Goethes aufrührerisches Gedicht gleichen Titels anlehnt. Hier setzte der überzeugte Republikaner Beethoven die poetische Auflehnung Goethes gegen ein autoritäres System in entsprechende Klänge um. Der Widerstand gegen die Repression deutet sich immer wieder in eruptiven Akkorden an, die den Fluss der musikalischen Motive energisch unterbrechen. Das Orchester ging dieses Stück mit viel jugendlicher Frische an, die den teilweise noch etwas unebenen Klang bei weitem aufwog. Duncan Ward achtete dabei auf Präzision und wohl dosierte Dynamik.
Beethovens Klavierkonzert beginnt mit einem langen Vorspiel des Orchesters, ehe das Klavier mit dem Thema einsetzt. In diesem Vorspiel bemerkte man noch ein wenig die unvermeidliche Inhomogenität des aus jungen Musikern unterschiedlichster musikalischer Herkunft zusammengesetzten Orchesters. Die einzelnen orchestralen Figuren waren nicht immer ausgewogen, die Intonation punktuell etwas uneben. Doch das machten die jungen Musiker durch viel Engagement und Gespür für den emotionalen Ausdruck des Stücks wett. Duncan Ward entlockte ihnen vor allem in den expressiven Partien Präzision und Präsenz, und auch in zurückgenommenen Phasen schufen sie einen stimmigen Rahmen für den Solovortrag.
Sophie Pacini glänzte im ersten Satz durch eine virtuose aber nie vordergründige Interpretation der komplexen Läufe und Verzierungen und hielt dabei den Spannungsbogen aufrecht. Die Kadenz meisterte sie mit Bravour und Souveränität. Technische Herausforderungen stellen für sie keine Hürden dar. Im zweiten Satz brachte sie den Flügel förmlich zum Singen, verlor sich jedoch bei den introvertierten Passagen nie in Sentimentalität oder Beliebigkeit. Das Orchester war ihr dabei mit seinem zurückgenommenen aber akzentuierten Spiel eine deutliche Stütze. Im dritten Satz zeigte sie dann ihre technischen Fähigkeiten und ließ ihren Händen bei den stürmischen Läufen freien Lauf. Präzision, ein energischer aber variabler Anschlag und Ausloten der musikalischen Feinheiten waren die hervorstechenden Merkmale ihres Vortrags. Das Orchester steigerte sich in diesem Finalsatz noch einmal und zeigte jetzt auch in den Feinheiten Präzision und feine Abstimmung.
Das Publikum bedankte sich bei der Solistin und dem Orchester durch begeisterten Beifall, und Sophie setzte mit der Ungarischen Rhapsodie von Franz Liszt noch einen mehr als brillanten Schlusspunkt.
Den zweiten Teil hatte der Rezensent zwar mit Spannung erwartet, musste dann jedoch leider passen.
Frank Raudszus
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