Albert Einstein gilt als das größte wissenschaftliche Genie des 20. Jahrhunderts, obwohl die ersten zwanzig Jahre seines Lebens noch in das 19. Jahrhundert fielen. Sein Namen wird auf ewig mit dem Begriff der Relativität verbunden sein, die nach Einsteins eigenen Aussagen (damals) angeblich weltweit nur ein Dutzend Menschen verstanden haben. Doch dieses Genie hatte offensichtlich auch seine Grenzen, die sich in einer Art Halsstarrigkeit gegenüber neuen Theorien zeigten und Einstein gegen Ende seines Lebens wissenschaftlich isolierte.
Bodanis hat Einsteins wissenschaftliches und privates Leben in dem vorliegenden Buch aus populärwissenschaftlicher Sicht aufgearbeitet. Deutlichkeit die Grenzen populärwissenschaftlicher Literatur: so sehr sie den Menschen zu charakterisieren und im Kontur zu verleihen mag, so wenig wird sie letztlich hochkomplexen wissenschaftlichen Theorien gerecht. Zu groß ist die Vereinfachung, als dass sie die Leistung des dahinter stehenden Individuums angemessen verdeutlichen kann.
Einstein hat zwei große, bis heute unbestrittene, ja sogar experimentell bestätigte Theorien entwickelt: im Jahr 1905 die spezielle und zehn Jahre später die allgemeine Relativitätstheorie. Erstere lässt sich im Rahmen dieser Rezension mit der Formel E=M*c², die letztere mit der Krümmung des Raums durch die Masse beschreiben. Diese Verkürzung ist jedoch nur im Rahmen einer Rezension erlaubt, die nicht die Entstehung dieser Theorien beschreiben will. Bodanis´ Schilderungen dieser Theorien sind zwar wesentlich ausführlicher, aber reichen letztlich auch nicht aus, um die Komplexität auch nur annähernd wiederzugeben. Bei der Energieformel erweckt der Autor – sicherlich unabsichtlich – den Eindruck, Einstein habe sich eines Tages gedacht, die Masse einfach mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit zu multiplizieren – et voila! Dass diese Formel Ergebnis jahrelanger physikalischer und mathematischer Überlegungen war, geht daraus nur bruchstückhaft hervor. Ähnlich ist es mit der allgemeinen Relativitätstheorie. Hier verschiebt der Autor eine eingehendere Darstellung – die selbst wiederum rudimentär ist – in den Anhang, während er das Thema im Haupttext eher summarisch und im Kontext biographischer Details abhandelt. Dabei strapaziert er das nahe liegende Analogon des durch die Massen eingedellten Trampolins zwar nicht über Gebühr, führt aber nicht ausreichend aus dieser Hilfskonstruktion heraus. So verfestigt sich gerade beim Laienleser dieses dreidimensionale Beispiel und führt damit zu einer fragwürdigen weil unzutreffenden Vereinfachung eines höchst komplexen und sinnlich nicht nachvollziehbaren Sachverhalts.
Das Bemühen des Autors, den Leser auf keinen Fall zu überfordern, ist unübersehbar. Dabei unterfordert diesen letztlich und vergibt eine Gelegenheit, tiefer in die Materie einzudringen. Dabei hätte er davon ausgehen können, dass wahrscheinlich nur naturwissenschaftlich interessierte und vorgebildete Leser zu diesem Buch greifen werden, denen man durchaus einige Denkanstrengungen zumuten kann.
Generell widmet sich der Autor eher den privaten Details von Einsteins Leben: seinen zwei Ehen, seinen erotischen Ausflügen und seinen ersten Jahren vor dem wissenschaftlichen Durchbruch. Das ist durchaus aufschlussreich und wirft ein Licht auf Einsteins Persönlichkeit. Doch etwas weniger Privates zugunsten wissenschaftlicher Methodik hätte dem Buch gut getan.
Bei Einsteins „größtem Irrtum“‚ der Ablehnung der Quantentheorie, unterschlägt der Autor, dass die gesamte wissenschaftliche Welt noch immer nach der einheitlichen Theorie sucht und damit de facto der Quantentheorie in ihrer heutigen Form in gewisser Weise eine nur temporäre Gültigkeit zugesteht. Nach anfangs tatsächlich prinzipieller Ablehnung hat sich Einstein auch dahingehend geäußert, doch Bodanis stellt seine Haltung zumindest unterschwellig als Fundamentalopposition gegen eine wissenschaftlich hieb- und stichfest belegte Theorie dar. Dabei verzichtet die Quantentheorie explizit auf eine solche Beweisführung und „kapituliert“ in gewisser Weise bewusst vor dem Zufall. Das steht nicht im Widerspruch zur ablehnenden Haltung der Quantentheoretiker gegenüber Einstein mit dessen einhergehenden Isolation, denn um sich überhaupt Gehör zu verschaffen mit ihren neuen Erkenntnissen, mussten sie die Hürde eines oppositionellen Genies überwinden.
Unabhängig von diesen Schwächen des Buches liest es sich flüssig und vermittelt dem Laien einen tiefen Einblick in Leben und Wesen Albert Einsteins. Nur der wissenschaftliche Erkenntnisanteil bleibt recht dünn und verhilft nicht zu einer auch nur annähernden Verständnis seiner Theorien.
Das Buch ist bei der Deutschen Verlagsanstalt (DVA) erschienen, umfasst 335 Seiten und kostet 19,99 Euro.
Frank Raudszus
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