Carlo Masala: „Wenn Russland gewinnt“

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Carlo Masala lehrt Internationale Politik an der Bundeswehr-Universität in München und ist seit Beginn des Ukraine-Krieges als kompetenter Kommentator zu diesem Thema bekannt. In dem vorliegenden Buch entwirft er ein fiktives Szenario, das sich ergeben könnte, wenn der anfangs gesetzte Fall eintreten sollte.

Gleich hier setzte eine eher bittere Kritik an dem explizit geäußerten Wort „fiktiv“ an, denn bei der Lektüre stellt sich zunehmend der Eindruck ein, dass es sich hier nicht um eine etwa romanhafte Fiktion handelt, sondern dass Masala hier eine fast schon deterministische Entwicklung beschreibt, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit einstellen dürfte. Die Einschränkung „fiktiv“ ist hier eher als letzte Hoffnung denn als Optimismus einzuschätzen.

Als Ausgangspunkt zieht Masala einen Friedensvertrag im Jahr 2025 heran, der unter dem Druck der USA und dessen neuem Präsidenten – er kennt ihn bereits, ohne ihn namentlich zu nennen – quasi einer Kapitulation gleichkommt. In den nächsten zwei Jahren entwickelt sich die Ukraine dank machtloser UN-Schutztruppen und systematischer, rücksichtsloser Einflussnahme Russlands zu dessen Vasallenstaat, während der Westen die nur noch marginalen „Kriegshandlungen“ als Frieden interpretiert.

Anfang 2028 erfindet Masala dann einige Besprechungen hoher russischer Militärs und Politiker, in denen diese eine Taktik der Ablenkung und Desinformation besprechen, die ihnen letztlich einen überraschenden Einmarsch im östlichsten Estland ermöglichen sollen. Die weltweiten Ablenkungsmanöver in Asien – mit Hilfe von China -, Afrika und in der Arktis erfüllen ihren Zweck, und als die Russen die estländische Grenzstadt Narwa einnehmen, um eine angebliche Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung zu verhindern, zeigt sich der Westen tatsächlich überrascht.

Dann geht es bei Masala im Stundentakt weiter, und bei allen hektischen Reaktionen des Westens spielen die Russen im Hintergrund mit. Es kommt, wie es kommen muss: Trump – wieder ohne Namensnennung – ist nicht bereit, für einige lächerliche Quadratkilometer einen dritten Weltkrieg zu riskieren, und Länder wie Italien und Frankreich stimmen ihm zu, von Ungarn und der Slowakei ganz zu schweigen. Nachdem der NATO-Generalsekretär der Presse mitgeteilt hat, dass man vorerst nicht Artikel 5 des NATO-Vertrages aktivieren werde, verabschiedet er sich mit dem Hinweis, dies sei der schwärzeste Tag der NATO.

Im Schlusskapitel feiern die Russen zusammen mit dem nun „eingemeindeten“ Lukaschenko einen historischen Sieg über den imperialistischen Westen und prosten sich virtuell mit Xi Ping in Peking zu. In einem Nachwort weicht der Autor die Deutlichkeit und Unausweichlichkeit ein wenig mit einigen „Wenns“ und „Abers“ auf und ermöglicht so den Lesern einen Hoffnungsschimmer. Doch wirklich will sich dieser nicht im Kopf des Lesers festsetzen, denn man weiß, dass nach dem Ende der NATO durch vermehrten Druck Russlands auch die EU sterben wird und am Ende die europäischen Länder einzeln bei Putin oder dessen Nachfolgern um Schonung zu welchen Kosten auch immer bitten werden.

Hoffen wir dennoch, dass es soweit nicht kommt!

Das Buch ist im Verlag C. H. Beck erschienen, umfasst 116 Seiten und kostet 15 Euro.

Frank Raudszus

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