Am Ende siegt immer das Gute!

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Schön, wenn dem auch in der Realität so wäre! In Rossinis Oper „La Cenerentola“, zu Deutsch „Aschenputtel“, siegen jedenfalls am Schluss Liebe und Rechtschaffenheit über Neid, Missgunst und Eifersucht. In diesem Sinn folgt das 1817 entstandene „Dramma giocoso“ jedenfalls der ironisch ungebrochenen Sehnsucht nach einer heilen Welt. Wir kennen das vom deutschen „Aschenputtel“-Märchen, das wir hier inhaltlich wohl nicht näher erklären müssen. Rossini hat die Oper ganz im Stil des großen Vorbilds Mozarts verfasst, wenn sie auch nicht dessen psychologische Raffinesse aufweist. Hier sind alle Figuren komödiantische Archetypen, ja: Karikaturen. Don Magnificio, der Vater der drei Mädchen, ein raffgieriger Pleitier, die beiden Stiefschwestern eitle und missgünstige Geschöpfe und Aschenputtel Angelina eine wahre Seele von Mensch. Prinz Ramiro ist als zwar edle, aber doch etwas langweilige Figur angelegt, und wahren Witz bringt nur sein Diener Dandini ins Spiel, der bei der Brautsuche des Prinzen diesen spielen darf.

Solgerd Isalv, Johannes Seokhoon Moon, Jana Baumeister und Lena Sutor-Wernich

Diese Figur öffnet dann auch der Inszenierung von Achim Freyer aus dem Jahr 1997, die nun am Staatstheater Darmstadt eine Wiedergeburt erlebt, die Möglichkeit, sprudelnden Witz auf die Bühne zu bringen. David Pichlmaier spielt einen Diener, der sich geradezu sonnt in der einmaligen Situationen, nicht nur einen „Herrn“ in edlen Kleidern darzustellen, sondern auch stets im Mittelpunkt zu stehen und von allen umschmeichelt und bewundert zu werden. Da kann der von Theodore Browne gespielte Prinz Ramiro, hier getarnt als der Diener, nur staunen und muss Dandini immer wieder zur Mäßigung aufrufen, nimmt doch dieser die abfälligen Bemerkungen von Aschenputtels Schwestern über den vermeintlichen Diener Ramiro mit viel Genugtuung zur Kenntnis.

Tisbe und Clorinda, eben diese Schwestern, sind bei Freyer extrem verwöhnte und zickige junge Frauen, die den Tag gelangweilt ihrer Schönheit oder dem Schlaf widmen, sich die herrlichsten Heiratsaussichten ihres Vaters anhören und ansonsten die arme Angelina quälen. Jana Baumeister und Solgerd Isalv verleihen diesen beiden Figuren bewusst karikierenden Witz, den die überdimensionierten Kostüme noch verstärken. Ralf Lukas gibt einen Don Magnificio wahnhafter Selbstüberschätzung, der jedoch in Wirklichkeit die glänzende Zukunft im Stile von „Make Us Great Again“ nur aus Angst vor der drohenden Pleite beschwört. Johannes Seokhoon Moon ist als Weiser Alidoro dagegen für die Rolle des „Deus ex Machina“ zuständig, der all die logischen Probleme einer solchen Komödie mit plötzlichen Eingebungen löst.

Theodore Browne und David Pichlmaier

Das Bühnenbild von Maria-Elene Amos ist einfach, aber effektiv. Über weite Strecken dient ein konkaves Halbrund aus Wand und Türen als die Wohnung der Familie Magnificio, in der sich das meiste abspielt, und für das große Fest wird einfach die Außenrundung mit entsprechend herrschaftlicher Farbgebung an die Rampe gedreht.

Der Chor spielt in dieser Inszenierung eine zentrale Rolle, wenn er, verpackt in betont höfisch verzerrte Kostüme und Masken, immer wieder das Geschehen kommentiert oder auch körpersprachlich begleitet. Dabei stehen auch hier stets die komödiantischen Effekte im Mittelpunkt, ohne dass deswegen die eigentlichen Aufgaben eines Chores zu kurz kämen.

Die stimmlichen Leistungen des Ensembles sind beachtlich, vor allem angesichts der stimmlichen und sprachlichen Anforderungen. Bei den Damen können sich zu Beginn eher Jana Baumeister und Solgerd Isalv mit ihren zickigen Gesängen präsentieren, während Lena Sutor-Wernich erst mit ihrem Triumph als Prinzenbraut zu gesanglicher Hochform aufläuft, dann aber mit viel Verve und Präsenz. Bei den Sängern steht natürlich David Pichlmaier mit seinen variantenreichen Auftritten im Vordergrund, und man sieht, wieviel Spaß ihm diese Rolle bereitet. Doch auch Ralf Lukas verleiht seinem Magnificio durch eine durchsetzungsstarke Stimme viel Bühnenprofil.

Der Chor des Staatstheaters

Das Ganze wird frisch und temperamentvoll serviert, wobei neben den exaltierten Charakteren auf der Bühne vor allem die frische und variantenreiche Musik Rossinis eine zentrale Rolle spielt. Der Komponist hat sich hier besonders viele musikalische Effekte einfallen lassen, von denen vor allem die Tutti-Einlage gegen Ende mit ausgedehntem und immer wieder variiertem Stakkato-Gesang hervorzuheben ist. Versteht sich, dass auch das Sprech- und Singtempo einen wesentlichen Beitrag zur witzigen Wirkung beiträgt. Die lang ausgedehnten Lobgesänge auf die edlen Brautleute, nur unterbrochen von den immer wieder ausbrechenden Neidattacken der Schwestern, hätten durchaus kürzer ausfallen können, und immer wieder vermeint man schon, den letzten Schlussakkord zu hören, der dann doch wieder zu weiteren Gesangsnummern führt. Dahinter kann man nur den Wunsch des damaligen Publikums vermuten, die erhoffte Gerechtigkeit der Welt herbeizusingen und den Augenblick der Ernüchterung soweit wie möglich hinauszuschieben.

Uns geht es da im Wunsch nach Gerechtigkeit vielleicht nicht anders, aber wir haben mittlerweile gemerkt, dass wir sie nicht durch Gesang herbeizwingen können. Doch wenn man diese Inszenierung als eine Rückschau auf eine ferne Vergangenheit mit deutlichen Anspielungen auf zeitlose Phänomene betrachtet, dann haben sich auch diese langen Abgesänge schon gelohnt, und gefallen tut Rossinis Musik allemal, vor allem wenn sie von einem so routinierten Orchester und einer so souveränen Dirigentin wie Alice Meregaglia interpretiert wird.

Das Publikum zeigte sich sehr angetan und spendete lang anhaltenden, kräftigen Beifall.

Frank Raudszus

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