Der Roman „Die Taucherin“ von Verena Boos zieht den Leser sofort in seinen Bann. Amalia lebt im Schwarzwald im Glottertal und ihre Freundin Marina im pulsierenden Valencia in Spanien. Doch irgendetwas stimmt nicht mit Marina, denn sie scheint spurlos verschwunden zu sein. Verena Boos schreibt präzise und mit feinem Gespür für Atmosphäre. Doch es ist nicht nur die Suche nach einer Freundin – es ist eine Reise in die Vergangenheit, die dunkle Schatten auf die Gegenwart wirft.
Die Geschichte entfaltet sich langsam, fast wie ein Puzzle. Amalia gräbt in Marinas Familiengeschichte und stößt auf ein Tabu: die systematischen Kindesentführungen während der Franco-Diktatur. Man kann es kaum fassen, dass bis zu 300.000 Kinder ihren Eltern aus politischen Gründen entrissen wurden. Was macht das mit einem Land und mit den Menschen? Boos zwingt die Leser, sich mit diesem dunklen Kapitel der spanischen Geschichte auseinanderzusetzen.
Die Figuren sind lebendig, jede mit ihrer eigenen Last. Besonders Amalia beeindruckt auf authentische Weise mit ihrer Unsicherheit, ihrer Wut und ihrer Entschlossenheit. Man spürt, wie die Vergangenheit sich langsam in ihre eigene Gegenwart frisst. Die Parallelen zwischen Vergangenem und Heutigem sind subtil, aber eindringlich. und Valencia? Die Stadt ist nicht nur Kulisse, sondern besitzt einen eigenen Charakter voller Hitze, Licht und dunkler Geheimnisse.
Das Buch hallt nach. Es ist nicht nur eine spannende Geschichte über Freundschaft und Identität, sondern auch eine Auseinandersetzung mit Erinnerung und Vergessen. Wie gehen Länder mit ihrer Vergangenheit um? Wie prägt Geschichte die Gegenwart?
„Die Taucherin“ nimmt die Leser auf eine Reise mit, die weit über das Lesen hinausgeht. Noch lange wird man an Amalia, Marina und all die unbekannten Kinder denken, die niemals wussten, woher sie wirklich kamen. Ein wichtiges, bewegendes Buch und eine Erinnerung daran, dass Geschichte nie nur Vergangenheit ist.
Das Buch ist im Kanon-Verlag erschienen, umfasst 284 Seiten und kostet 24 Euro.
Barbara Raudszus
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