Ein wilder Außenseiter?

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Das „Museum Barberini“ in Potsdam ruft mit der Ausstellung „Maurice de Vlaminck, Rebell der Moderne“ einen fast vergessenen Maler wieder in Erinnerung. Der im ersten Augenblick niederländisch anmutende Name mag auf einen entsprechenden Migrationshintergrund zurückzuführen sein, doch de Vlaminck war der Sohn eines französischen Musikerehepaares im Umkreis von Paris. Im Jahr 1876 geboren, ergriff er die kontrastreiche Berufslaufbahn eines Mechanikers und Radrennfahrers und verdingte sich notgedrungen sogar als Musiker, bevor er im Jahr 1900 zufällig den Maler Derain kennenlernte, der ihn für die Malerei begeisterte und sogar ein Atelier mit ihm zusammen betrieb.

Porträt einer Frau

Für eine formale Ausbildung an einer Akademie fehlte sowohl das Geld als auch die Motivation, da ihn der penible akademische Stil abstieß. Er wollte einfach mit Farben hantieren und Bilder malen. So orientierte er sich an den anderen damaligen „Kunstrebellen“, nämlich den Impressionisten wie Manet und Monet. Vor allem aber faszinierte ihn Vincent van Gogh, und hätte er einige hundert Francs gehabt, so seine spätere Aussage, hätte er sich eines seiner Originalgemälde(!) gekauft.

Diese Nähe zu dem Niederländer und den Impressionisten kann man seinen frühen Bildern deutlich ansehen. Ohne eine kunsthistorische Ausbildung musste er sich seine Vorbilder selber suchen. Und so entdeckt man in manchen seiner Bilder den fetten Farbauftrag und die geschwungenen Pinselzüge des Niederländers, in anderen den Pointillismus eines Manet oder Monet. Doch bei aller Ähnlichkeit verfällt de Vlaminck nie ins Kopieren, sondern findet seine eigene, „wilde“ Linie. Diese Bezeichnung, französisch „fauve“, etablierte sich dann auch schnell zur nicht unbedingt positiv gemeinten Bezeichnung für ihn und seine künstlerischen Genossen. Dazu gehören auch die bewusst naiven Portraits, die man so bei den genannten Künstlern nicht findet.

Landschaftsbild

Die Ausstellung zeigt auf zwei Stockwerken hauptsächlich Werke aus dem ersten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts. Dabei spielen in der unteren Etage vor allem die Jahre 1905/06 eine Rolle. Hier sieht man noch die „wilden“ Zeiten des Malers mit kontrastierenden Elementarfarben ohne Abstufungen. Das Figurative steht zwar im Vordergrund, jedoch in einer bewusst vereinfachten Form mit geringer Beachtung perspektivischer oder naturalistischer Aspekte. Die Farbe ist alles, und Dynamik wie Aussage der Bilder ergeben sich aus Anordnung und Form der Farbflächen.

Ein wichtiges Motiv vieler Bilder ist das Seine-Tal rund um Chatou, wobei die Seine selbst immer wieder im Mittelpunkt steht. Vor allem die Spiegelungseffekte sowie die Oberflächenstruktur des Wasser faszinierten de Vlaminck und finden sich in unterschiedlichsten Farbkombinationen und Formen des Farbauftrags wieder. Im Gegensatz zu seinen impressionistischen Vorgängern interessierte sich de Vlaminck jedoch weniger für die Touristen mit ihren Frühstücks- und Freizeitvergnügen, sondern mehr für die Landschaft an sich und den Kontrast zu den Gebäuden der beginnenden Industrialisierung an den Ufern der Seine. Da sind dann Segelboote vor Fabrikschornsteinen und Angler vor Dampfschiffen zu sehen, oder ein Schlepper mit rauchendem Schornstein wirbelt das Wasser vor einem knallroten Lastkahn auf.

Stadtbild

Generell fällt die breite Vielfalt der Farbgebungen auf, die de Vlaminck immer wieder neu gestaltet. Da gibt es zarte weiß-blaue Bildkompositionen, die etwa Himmel und Wasser darstellen, dann wieder kontrastreiche Grün/Rot-Kombinationen für Natur und Bebauung oder dunkle Töne für die latente Drohkulisse der frühindustriellen Anlagen. Die ihm damals attestierte „Wildheit“ findet sich bei de Vlaminck tatsächlich in einer gewissen Rücksichtslosigkeit gegenüber perspektivischer oder naturalistischer Korrektheit, und gerade das wirkt auf heutige Betrachter erfrischend. Doch wir haben heute einen anderen Blick auf die Kunst als das Bürgertum des frühen 20. Jahrhunderts.

Besucher dieser Ausstellung werden viele Ähnlichkeiten zu den ihm selben Haus ausgestellten Impressionisten der „Sammlung Hasso Plattner“ finden, doch deutliche Unterschiede hinsichtlich der expressiven Seite feststellen. In gewissem Sinne kann man de Vlaminck als Vorläufer der Expressionisten sehen, wofür auch sein unkonventioneller Lebensstil mit wechselnden Tätigkeiten steht. Ob nun im Verbund mit dieser Ausstellung oder allein betrachtet: der Besuch dieser Ausstellung lohnt sich in jedem Fall. Auf nach Potsdam, und Berlin ist auch nur eine S-Bahn-Stunde entfernt.

Näheres ist über die Webseite des Museums Barberini zu erfahren.

Frank Raudszus

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