Donna Leon: „Feuerprobe“

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Commisario Brunettis dreiunddreißigster Fall spielt in einem winterlich kalten Venedig. Seine Kollegin Claudia Griffoni wird mit einer Jugendgang konfrontiert, die nächtens ihren Testosteronspiegel abbauen will und dabei einige Schaufenster zertrümmert. Nach einem ernüchternden Aufenthalt auf einer Polizeiwache werden die nun kleinlauten Heranwachsenden von empörten – die einen über die eigenen Kinder, die anderen über die kleinliche Polizei – abgeholt. Nur einer bleibt ohne elterliche Abholung, und so bringt die Kommissarin ihn am frühen Morgen bis zur Haustür, um den erst fünfzehnjährigen Jungen nicht zu gefährden.

Dieser ungewöhnliche Ausflug führt im Kommissariat noch zu Gesprächen über den Vater des Jungen, der sich nach kurzer Recherche fast als Nationalheld entpuppt. Mehr aus Neugier denn aus kriminalistischer Not recherchieren die Beamten weiter und erfahren, dass eben dieser Vater des minderjährigen Gangmitglieds nach dem Irakkrieg als Carabiniere mit seiner Einheit im Irak stationiert war und dort bei einem schweren Anschlag einige Kameraden vor dem sicheren Tod gerettet hat. Da das mit seinem offensichtlichen Desinteresse an dem eigenen Sohn überhaupt nicht zusammenpasst, graben die Beamten weiter und werden erstaunlich schnell fündig. Eine zusätzliche Motivation ergibt sich auch daraus, dass dieser Vater offensichtlich mit verschiedenen Mitteln und Aktionen versucht, die Polizei von seinem Jungen und sich fernzuhalten. Als dann noch ein Kollege von weiteren Personen aus dem Kreis der besagten Jugendgang in der eigenen Wohnung schwer misshandelt wird, erteilt der eitle Vize Questore Patta mit großer Geste eine Generalvollmacht zur erweiterten Recherche.

Das lassen sich Brunetti und seine Kollegin Griffoni nicht zweimal sagen, und die clevere Sekretärin Elettra lässt dabei ihre Finger über die Tasten verschiedener Computer spielen. Sehr schnell erfährt die Truppe daraufhin, dass es sich mit der Heldenhaftigkeit des besagten Vaters wohl ganz anders verhielt, man ihm diesen Glorienschein jedoch wegen der damaligen katastrophalen Wirkung des Anschlags auf die italienische Öffentlichkeit sozusagen als kompensatorische Marketingmaßnahme bewusst beließ.

Nach einigen Recherchen stellt sich heraus, dass die in den Irak entsandten Carabinieri einen schwunghaften Handel mit Waffen in die eine Richtung und antiken irakischen Kulturgütern aus den Museen in die andere Richtung betrieben. Der vermeintliche Held spielte dabei eine führende Rolle.

Jetzt fehlt nur noch die finale Aktion der verfeindeten Jugendgangs in einem alten Fabrikgelände mit viel jugendlicher Selbstüberschätzung und Brandbeschleunigern, um den Showdown einzuleiten. Natürlich taucht auch hier der verdächtige Vater wieder auf, und jetzt geht es noch einmal zur Sache…..

Donna Leon hat sich in ihrem neuen Roman wieder eines für Venedig wichtigen und aktuellen Themas angenommen und bietet dabei einen guten Einblick sowohl in die Lokalitäten als auch in die gesellschaftlichen Strukturen und die unterschiedlichen kommerziellen Interessen. Und auch die Familie Brunetti kommt nicht zu kurz, obwohl die Familienszenen dieses Mal etwas zurückgestutzt wurden.

Der Roman liest sich – wie seine Vorgänger – flüssig und spannend und bietet viele Informationen über die Stadt der Kanäle und Lagunen.

Das Buch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 336 Seiten und kostet 26 Euro.

Frank Raudszus

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