Hiroko Oyamada: „Das Loch“

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Die junge Asa, seit ein paar Jahren verheiratet, gibt ihre Arbeit auf, um mit ihrem Mann zu den Schwiegereltern aufs Land zu ziehen. Dort wird steht ihnen das Nachbarhaus kostenlos zur Verfügung. Während ihr Mann weiterhin morgens zur Arbeit fährt und oft erst spät abends nach Hause kommt, streift Asa aus Langeweile durch eine wild wuchernde Natur in der Umgebung ihres Grundstückes. Dabei huscht von Zeit zu Zeit ein schwarzes, ihr völlig unbekanntes Tier vorbei.

Auf einem dieser Spaziergänge fällt sie unvermutet in ein tiefes Loch, aus dem nur noch ihr Kopf herausschaut und aus dem sie sich selbst nicht befreien kann. Glücklicherweise beobachtet eine Nachbarin das Geschehen und hilft ihr aus dem Loch.

Zu anderen Menschen hat Asa keinen Kontakt. Der Großvater ihres Mannes wässert ganztägig den Garten und lächelt ihr monoton zu, ohne ein Wort an sie zu richten. Da er den Garten auch bei Regen gießt, fragt sich die Leserin, ob das ein Zeichen für Demenz sein soll. In der Familie spricht man diese Themen nicht an, so dass Asa mit all ihren Fragen allein gelassen wird. Ihr Mann ist entweder an seiner Arbeitsstelle oder hängt am Handy. Die Schwiegermutter geht ebenfalls arbeiten, der Schwiegervater tritt dagegen so gut wie nicht in Erscheinung.

So bleibt Asa nichts weiter übrig, als weiter allein durch die Gegend zu streifen. Dabei begegnet sie eines Tages dem Bruder ihres Mannes, der von der Familie totgeschwiegen wird, offensichtlich, weil er sich nach eigenen Aussagen allen Leistungsanforderungen verweigert hat und allein in einer alten Hütte lebt. Für die Leserin stellt sich hier die Frage nach Realität und Fiktion. Phantasiert Asa schon aus Einsamkeit, oder entdeckt sie Familiengeheimnisse?

Weitere Löcher im Boden tauchen auf, und auch das schwarze Tier begegnet ihr immer wieder. Beide Phänomene nehmen deutlich metaphorischen Charakter an. Die Löcher könnten auf beengende Einsamkeit und Isolation verwiesen, das Tier auf ein unbekanntes Inneres in Asa, das sich Bahn brechen will. Auch der Großvater nimmt angesichts nächtlicher Wanderungen im Schlafanzug einen ähnlichen Charakter an und fällt ebenfalls in ein solches Loch, so dass die Metapher der Einsamkeit für eine gewisse Gemeinschaft sorgt. Ihm helfen Asa und das schwarze Tier aus seiner misslichen Lage.

Der Roman wird immer mystischer und geradezu gruselig und erinnert in vielem an Haruki Murakamis „Die Chroniken des Aufziehvogels„. Was bleibt, ist die Sprachlosigkeit des jungen Paares untereinander und das emotionslose Verhältnis zu den Schwiegereltern. Alle funktionieren irgendwie, Probleme werden nicht angesprochen, zwischenmenschlicher Kontakt nicht aufgenommen. Als Asa eines Tages in den Spiegel schaut, entdeckt sie eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Schwiegermutter. Erleiden hier zwei Frauen ein ähnliches Schicksal? Man darf das Buch als Anklage an eine erstarrte Gesellschaft verstehen, die selbst in den intimsten Beziehungen unfähig zu echter Kommunikation ist und sich nur auf althergebrachte Konventionen stützt.

Das Buch ist im Rowohlt-Verlag erschienen, umfasst 123 Seiten und kostet 22 Euro.

Barbara Raudszus

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