Domitila Barros wuchs in der brasilianischen Favela „Linha do Tiro“ in Recife auf und erlebte dort extreme Armut. Hunger, Gewalt und Gefahr bestimmten ihre Kindheit. Mit zwölf Jahren musste sie miterleben, wie ihre beste Freundin direkt neben ihr erschossen wurde, und mit diesem Trauma fertigwerden.
Viel Hilfe und Liebe erfuhr sie von ihren Eltern und Großeltern, und sie war nie allein, sondern immer in einem großen Familienverbund aufgehoben. Ihre Eltern hatten im Jahr 1983 ein Projekt für Straßenkinder in der Favela gegründet, um den armen Seelen durch etwas Bildung wie Lesen und Schreiben eine Zukunft zu ermöglichen, die sie aus dem Sumpf von Prostitution, Drogen und Gewalt herausholte. So konnten viele dieser Kinder sich später ihren Lebensunterhalt durch einfache Arbeiten verdienen, ohne ihre Körper verkaufen zu müssen. Einige schafften sogar den Sprung auf die Universität.
Neben ihrer eigenen Schulbildung half Domitila auch bei dem Projekt ihrer Eltern mit und entwickelte schon früh eine ganz eigene Methode für die oft hyperaktiven Kinder. Wer ein Leben als Straßenkind erlebt hatte, war nicht fähig, eine Stunde still zu sitzen und Buchstaben abzuschreiben. So schaffte Domitila es, die Kinder durch Theaterspielen langsam an das lernen heranzuführen. Sie agierte ohne theoretische Vorbildung einfach „aus dem Bauch“ heraus und war damit erfolgreich – sie erreichte die Kinder.
Doch als Domitila später in Berlin Sozialpädagogik studierte und einen guten Abschluss hinlegte, war sie noch lange nicht auf ihren Beruf als Sozialarbeiterin vorbereitet. Da war so vieles, das sie verzweifeln ließ, unter anderem der Umgang der Kollegen untereinander und die Arbeitsbelastung, Sie magerte ab und steuerte auf ein Burnout-Syndrom zu.
Wie sie aber immer wieder aus ihren Wurzeln schöpfte, das Leben als Möglichkeit begriff, die Welt zu verändern und eine Richtung einzuschlagen, die ihrer ureigenen Natur entsprach, das ist faszinierend zu lesen. Das Zitat des Dalai Lama „Der Planet braucht keine erfolgreiche Menschen mehr, der Planet braucht Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Arten“ bewegte sie in ihrem tiefsten Inneren, und so wurde sie schließlich zur Erzählerin. Die Botschaft, die sie in diesem Buch aussendet, lautet: „Träume können nie zu groß sein. Einfach „machen“ und versuchen, den Traum umzusetzen“. Ihr ist es gelungen.
So schaffte sie 2022 das schier Unglaubliche, die Wahl zur „Miss Germany“ zu gewinnen. Das war ein großartiger Erfolg, der ihr keineswegs geschenkt worden war. Es war die Auszeichnung besonders für ihr soziales Engagement in der Favela.
Domitilas Weg war steinig, mühsam und mit vielen Hürden bestückt, die manchmal unüberwindbar schienen. In ihrem Buch hat sie das überzeugend dargestellt. Im Epilog bedankt sie sich ausführlich bei allen Menschen, die sie auf ihrem persönlichen „Traumpfad“ begleitet und unterstützt haben. Sie zeigt hier auf, wie wichtig es ist, begleitende Eltern, Großeltern und Freunde zu haben, die in Lebenskrisen für sie da waren. Domitilas Lebensgeschichte kann besonders für junge Menschen vorbildhaft sein, die noch auf der Suche nach der Umsetzung ihrer Träume sind.
Das Buch ist im Ullstein-Verlag erschienen, umfasst 219 Seiten und kostet 13,99 Euro.
Barbara Raudszus
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