Die Kunst der Vernetzung der Kunst

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Die neue Ausstellung des Frankfurter Städel-Museums trägt den Titel „Städel / Frauen – Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“. Die Verbindung zwischen „Städel“ und „Frauen“ erfolgte dabei bewusst nicht durch einen Bindestrich, da dieser die beiden Begriffskomplexe zu eng aneinander gebunden hätte, als gehörten die Frauen dem Städel oder als ob das Städel eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung gespielt hätte. Letzteres war zwar in gewisser Weise der Fall, aber nicht im entscheidenden Umfang. Letztlich mussten die Frauen sich in der Kunst selbst durchsetzen, und wie sie das taten, schildert diese Ausstellung.

Louise Breslau: „Jeune femme et chrysanthèmes“

Hintergrund war das Archiv der Künstlerin Ottilie W. Roederstein (1859-1937), das ein Privatbesitzer dem Städel im Jahr 2019 hinterließ. Als man im Städel begann, dieses Archiv zu sichten, tauchten derart viele unbekannte Namen auf, dass man beschloss, tiefer in diese Daten einzusteigen, um einen besseren Eindruck der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende zu erlangen. Dabei schälte sich bald die Erkenntnis heraus, dass hier ein Schatz mit weitgehend unbekannten Künstlerinnen und deren Werken begraben lag, den zu heben und einer breiteren Öffentlichkeit sich dringend empfahl. So entstand das Projekt der vorliegenden Ausstellung, und die Kuratoren Dr. Alexander Eiling, Eva-Maria Höllerer sowie Aude-Line Schamschula betonten den außerordentlichen Aufwand bei der Auswertung und der Recherche, die sich zwangsläufig daran anschloss. Denn über viele dieser Künstlerinnen lagen wenige oder gar keine Informationen vor, und man musste das Ganze wie ein großes Puzzle zusammensetzen, dessen Einzelteile weltweit verstreut waren.

Louise Breslau: „Portrait der Freunde“

Schließlich konnte man 26 Künstlerinnen identifizieren sowie biographisch und künstlerisch einordnen, und 79 Kunstwerke konnten weltweit zugeordnet, lokalisiert und ausgeliehen werden, die jetzt diese Ausstellung bebildern.

In Deutschland hatten Frauen bis 1919 keinen Zugang zu Kunstakademien. Im etwas liberaleren Paris jedoch gab es bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Reihe privater Kunstakademien für Frauen, später auch für gemischtes Klientel. Wer als kunstinteressierte junge Frau in Deutschland entsprechend aufgeschlossene und finanzkräftige Eltern hatte, ging also nach Paris. Doch damals war es nicht selbstverständlich, als Frau alleine zu leben, also gründete man – damals schon! – Wohngemeinschaften, die aus Künstlerinnen verschiedener Ausbildungsstufen bestanden. So bildeten sich wie von selbst Netzwerke mit und ohne informellen Ausbildungscharakter.

Trotz dieser „Freiheiten“ unterstützten die offiziellen -männlichen! – Lehrkräfte die Männer wesentlich intensiver und kamen bei den Frauen nur selten vorbei. Also waren diese auf gegenseitige, offene Kritik angewiesen und mussten lernen, diese auch von anderen Frauen anzunehmen. Und das schien bestens zu funktionieren, denn diese jungen Frauen schufen erstaunliche Werke in herkömmlichen und auch modernen Stilarten. Mehr noch, wenn die Jungen Frauen nach ihrem Paris-Aufenthalt nach Frankfurt – denn nur um diese deutsche Stadt geht es hier – zurückkamen, schliefen die Netzwerke nicht ein, sondern die Künstlerinnen pflegten sie in Frankfurt und entwickelten sie weiter. Dabei half ihnen auch die Nachlass-Verfügung des Städel-Namensgebers, der in seinem Testament verfügte, dass die Städel-Schule für beide Geschlechter und alle Religionen offen war, und so konnte man die Pariser Netzwerke auch in Deutschland weiter ausbauen.

Ida Gerhardi: „Tanzbild VIII“

Die Ausstellung deckt den Zeitraum von 1880 bis 1930 ab und verzichtet damit ganz bewusst auf die politischen und biographischen Komplikationen, die sich aus einer Ausweitung bis über den Zweiten Weltkrieg ergeben hätten. So konnte man sich ganz auf das Thema der Vernetzung und der künstlerischen Emanzipation konzentrieren. Dieser Zeitraum wird in fünf Räumen weitgehend chronologisch anhand von Gemälden, Graphiken und Bildhauerarbeiten dargestellt. Ergänzend sind Photographien der beteiligten Künstlerinnen als Zeitkolorit und zur biographischen Bebilderung eingebunden. Es würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, wollte man auf alle 26 Künstlerinnen eingehen. Deshalb wollen wir hier explizit nur Ottilie W. Roederstein erwähnen, die in diesem Künstlerinnen-Netzwerk die Rolle einer „elder artist women“ übernahm und auch als Mentorin und Lehrkraft tätig war.

Diese Ausstellung gibt einigen vergessenen Künstlerinnen ihr Gesicht und ihre Biographie wieder, und jedem Kunstinteressierten sei dringend empfohlen, dafür einen Tag einzuplanen. Es lohnt sich!

Näheres ist der Webseite des Städelmuseums zu entnehmen.

Frank Raudszus

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