Väter und Söhne 2.0

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Der Titel „Killology“ des Einakters von dem britischen Autor Gary Owen spielt an Begriffe wie „Techno-logie“ oder „Philo-logie“ an, die jeweils die Lehre eines bestimmten Wissensgebietes bezeichnen. In diesem Sinne steht „Killo-logy“ für die Lehre vom Töten und spielt in diesem Stück eine zentrale Rolle im Umfeld der Computerspiele. laut den Erkenntnissen des fiktiven Spieleentwicklers Paul steht in den „harten“ Computerspielen nicht mehr das Kämpfen, sondern das Töten im Vordergrund. Eine soziologische oder gar philosophische Erörterung dieser Erkenntnis findet im Stück zu Recht keinen Platz, denn allein die Beschreibung dieser Entwicklung setzt bei den Zuschauern mehr als ausreichende und erwünschte Assoziationen frei.

v.l.n.r.: Mitja Over, Uwe Zerwer und Arash Nayebbandi

Das Personaltableau besteht aus dem jungen Davey (Mitja Over) und seinem Vater Alan (Uwe Zerwer) sowie dem Spiele-Entwickler Paul (Arash Nayebbandi). Auch dessen Vater spielt eine wichtige Rolle, allerdings nur als Erinnerung und ohne Bühnenpräsenz. Dieses Kammerensemble spielt in einem Bühnenbild aus bunten Metallgerüsten, die an einen Kinderspielplatz erinnern und damit metaphorisch das Verhältnis von Vater und Sohn grundieren sollen.

Die rudimentäre Handlung besteht aus verbalen Rückblenden und knappen, eher assoziativen Szenen, wobei die eigentlichen Handlungsabläufe sekundär sind. Im Grunde genommen geht es um das schwierige, von den Vätern oft vernachlässigte Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen, die Sehnsucht der Söhne nach Anerkennung und das – späte! – schlechte Gewissen der Väter.

Zu Beginn schleicht sich Alan als Pseudo-Handwerker in die Wohnung Pauls ein, wobei man sich die Klettergerüste des Kinderspielplatzes als Wohnung denken muss, was jedoch angesichts der abstrahierten Anordnung keine Schwierigkeit darstellt. Er möchte späte Rache nehmen für das Schicksal seines Sohnes Davey, den er nach der Trennung von seiner Frau schon als Kleinkind verlassen hat. Der darunter leidende Davey wird bereits als Kind zum Mobbingopfer einer brutalen Jugendband und opfert seinen geliebten, weil vom Vater geschenkten Hund, um selbst zu überleben. Ob dieser Schuld, die er innerlich als Feigheit empfindet, wird er bei einer Bemerkung seiner Lehrerin ihr gegenüber tätlich und zum psychiatrischen Grenzfall erklärt. Das erfährt der Zuschauer durch Daveys Erzählungen, wie auch Daveys Entscheidung, Altenpfleger zu werden, um vernachlässigten Menschen zu helfen.

Mitja Over und Uwe Zerwer

Paul wiederum kommt aus reichem Elternhaus, konnte aber seinem Vater nie gerecht werden. Selbst die Rettung des väterlichen Lebens mit einem Charterflugzeug kritisiert dieser als völlig überzogen. Die fehlende väterliche Anerkennung kompensiert der Sohn mit immer grausameren Varianten der von ihm entwickelten Computerspiele, bis er feststellt, dass die Spieler angeblich das sadistische Töten dem eher biederen Kämpfen vorziehen. Das kann man einerseits als eine individuelle psychologische Deutung aber andererseits als auch eine konkrete gesellschaftliche Kritik verstehen.

Um die beiden Lebensläufe zu verbinden, lässt der Autor den vom schlechten Gewissen eines Vaterversagers gepeinigten Alan auf Paul losgehen und ihn schwer verletzen, wofür er dann ebenfalls in Sicherheitsverwahrung kommt. Am Ende pflegt Davey als Altenpfleger seinen eigenen Vater zu Tode, wobei er nach eigenen Aussagen nur wenig Mitleid empfindet.

Regisseurin Helena Jackson hat in ihrer Inszenierung konsequent die (Un-)Tiefen der Psyche ihrer drei Protagonisten ausgeleuchtet. Hier gibt es kaum Lichtblicke, und sie erlaubt auch keine Auflockerung durch Humor. Die dennoch Lacher auslösenden Bemerkungen vor allem von Alan sind eher sarkastischen bis zynischen Charakters und zeigen deutlich die Hoffnungslosigkeit bei allen drei Beteiligten. Entsprechend nehmen die Darsteller ihre Emotionen mit zunehmender Spieldauer zurück und enden schließlich in einer fast schon apathischen Resignation, die sich bei Uwe Zerwers Alan am stärksten zeigt, wenn er am Schluss in grauer Unterwäsche auf einer der Spielplatzstangen sitzt und, vor sich hinmurmelnd, dem Publikum den gebeugten Rücken zuwendet. Die jungen Leute haben die Pflegeanstalt dann nicht nur in bühnentechnischer Sicht verlassen.

Ensemble

Eine besonders eindringliche Wirkung erreicht diese Inszenierung auch durch den Verzicht auf jegliche Musik, die andere vielleicht als emotionale Verstärkung der jeweiligen Situation einsetzen würden. Doch gerade die Stille zwischen den Sätzen der Bühnenfiguren verdeutlicht die Leere der Beziehungen und des jeweiligen Lebens. Gary Owen sieht keinen Hoffnungsschimmer am Horizont, und Helena Jackson denkt nicht daran, diese endzeitliche Sicht multimedial aufzuweichen.

Die Darsteller überzeugen durch engagiertes Spiel, was angesichts der szenischen Knappheit besonders hervorzuheben ist. Mit Aktionismus ist nicht viel zu gewinnen, so müssen es das wohlartikulierte Wort und die ausdrucksvolle, aber nie aufgesetzte Mimik und Gestik richten. Und das schafften die drei Darsteller auf überzeugende Weise.

Das Premierenpublikum war beeindruckt und spendete kräftigen Beifall.

Frank Raudszus

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