Alexandra Stahl: „Frauen, die beim Lachen sterben“

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Der Titel dieses Buches müsste eigentlich „Frauen, die vorm Lachen sterben“ lauten, denn die dargestellten Frauen lachen bis zum Ende des Buches nicht ein einziges Mal befreit auf. Man kann sich gut vorstellen, dass sie – irgendwann einmal – sterben, ohne gelacht zu haben. Der Titel ist ein wörtliches Zitat aus der Gedankenwelt der Hauptperson.

Das Buch ist in der Ich-Form aus der subjektiven Perspektive der namenlosen Protagonistin geschrieben, doch angesichts deren fiktionaler Vita und der gesellschaftlichen Position der Autorin darf man annehmen, dass es sich nicht um einen autofiktionalen Roman handelt. Vielmehr stellt die Autorin eine archetypische „Durchschnittsfrau“ in den Mittelpunkt, die über keinerlei herausragenden Eigenschaften verfügt, weder körperlich, noch sportlich, intellektuell oder musisch.

Die Frau stammt aus einer Familie mit – aus ihrer Sicht – begrenztem Liebesetat. Aus Protest gegen ein „sinnvolles“ Leben studierte sie einst Archäologie, brach das Studium aber nach kurzer Zeit ab und betreut seitdem in der Nähe von Berlin künstlerische Stipendiaten einer entsprechenden Organisation. Das tut sie jedoch nicht aus Liebe zur Kunst sondern offensichtlich nur, weil der Job gerade frei war, und es geht dabei nicht um künstlerische Förderung, sondern nur um das organisatorische Wohl wie Wohnung, Reisen und alltägliche Versorgung. Sie hat mit den Künstlern nur etwas zu tun, wenn diese plötzlich Probleme haben oder ausdrücklich ihre Nähe suchen. Mit dem letzten Stipendiaten führte sie über längere Zeit eine sporadische Beziehung, aber in der Rückschau darauf fehlen Worte wie Erotik oder gar Liebe vollständig. Nur das „S“-Wort wird ein paar Mal nüchtern erwähnt. Dem Leser erscheint dieser Freund aus den Erinnerungen der Erzählerin als eitel, egozentrisch und wenig empathisch, und so nimmt es nicht wunder, dass sich die Beziehung dem Ende zuneigt.

Die Schwester der Frau passt in dieses Bild, führt sie doch nach einer längeren Beziehung mit einer Frau ein Single-Leben mit Katze. Besuche bei den Eltern sind bei beiden aufs Minimum reduzierte Pflichtveranstaltungen.

Die beiden langjährigen Freundinnen der Protagonistin sind von ihrem Schlage. Die eine kündigt ihren Lehrerjob, um einen Bio-Laden aufzumachen, die andere ist umtriebig und latent manipulativ, geht jedoch offensichtlich keiner anspruchsvollen Tätigkeit nach. Mit ihr durchlebt die Protagonistin viele Abende in Berliner Bars mit Kater am nächsten Morgen. Man sagt sich die Wahrheit, ohne Umschweife, redet nicht mehr miteinander, trifft sich wieder, und lebt gemeinsam in den Tag hinein.

Die Männer kommen in diesem Roman nicht gut weg, sind jedoch Randerscheinungen. Kurz huscht das Berliner Hipster-Milieu mit aufgesetzter männlicher Achtsamkeit durch das Buch, doch zu einer glasklaren, satirischen Analyse dieses Milieus kommt es nicht, weil die Hauptperson sich dazu nicht aufraffen kann und die Autorin das wohl gar nicht beabsichtigt. Jede scharfe intellektuelle Kritik an bestimmten Kreisen würde Engagement und ein konkretes eigenes Weltbild voraussetzen, doch das existiert bei der Hauptperson offensichtlich nicht. Kritik bleibt daher bei ihr stets diffus und nur „gefühlt“.

All das erfährt der Leser aus den Erinnerungen der Hauptperson, nachdem sie gekündigt hat und auf eine einsame griechische Insel gezogen ist. Dort erwartet man jetzt – wie in einem guten Bildungsroman – das große Erwachen und einen radikalen Neubeginn. Doch es geht so weiter wie bisher. Sie ist von allen Nachbarn und den streunenden Katzen genervt, verbringt die Tage – wenn sie nicht gerade schläft – einsam im Strandcafé, und als Weihnachten naht, beschließt sie, nach Athen zu fliegen – nicht nach Berlin. Doch als ihr auf der Fahrt zum Flughafen dämmert, dass der Vermieter Paolo sich für sie interessieren könnte, lässt sie das Flugzeugt fliegen – nur, um dann die Fähre nach Athen zu besteigen.

Das hier beschriebene Leben besteht aus einer absoluten Gleichförmigkeit ohne jegliche Höhepunkte und Ambitionen, geschweige denn Interessen oder gar Leidenschaften. Was genau die Autorin damit zum Ausdruck bringen will, wird nicht ganz klar, denn auch aus der subjektiven Perspektive der Hauptperson ist keine individuelle oder gesellschaftliche Kritik zu lesen. Selbst bei einem konsequent subjektiven Roman könnte man durch die Anordnung oder in Form von Konflikten die Protagonistin mit ihrem Scheitern konfrontieren, doch dass geschieht hier nicht. Alexandra Stahl beschreibt ein erstarrtes Leben, ohne es zu denunzieren. Das kann man als Positivum werten, aber es bleibt die Frage nach dem Erkenntniswert.

Das Buch ist im Verlag Jung und Jung erschienen, umfasst 218 Seiten und kostet 23 Euro.

Frank Raudszus

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